Hinweis: Dieser Artikel ist ein Teil der Artikelserie: „Buchrezension: Handbuch Meditation

Rückblick zu Teil III

In Teil III der Buchzusammenfassung Handbuch Meditation wird nach Überwinden von groben Ablenkungen und starker Dumpfheit (Stufe vier) bei der stabilen subtilen Dumpfheit weitergemacht. Diese führt im Gegensatz zur progressiven subtilen Dumpfheit (Vgl. Stufe vier) nicht zu starker Dumpfheit, ist dadurch aber nicht weniger hinderlich für die Praxis.

Subtile Dumpfheit äußert sich in einer Abnahme der Klarheit des Meditationsobjekts, dem Schwinden des peripheren Gewahrseins und dem Entstehen eines angenehmen Gefühls. Um subtiler Dumpfheit zu begegnen, ist diese zunächst ausfindig zu machen. Dies funktioniert am besten über unwillkürliche Reaktionen: Schreckt man bspw. bei einem plötzlichen Geräusch auf, war subtile Dumpfheit vorhanden. Sobald man Dumpfheit erkannt hat, gilt es die Aufmerksamkeit durch Folgen und Verbinden zu schärfen und falls nötig, den Aufmerksamkeitsbereich wieder zu erweitern (bspw. auf Körperempfindungen)

Neben der Überwindung von stabiler subtiler Dumpfheit ist vor allem die weitere Steigerung der Achtsamkeit Ziel der fünften Stufe. Dazu stellt Culadasa die Technik des Körperscans vor, in dem gezielt die Aufmerksamkeit auf verschiedene Körperbereiche gelenkt wird und dabei gleichzeitig das Gewahrsein aufrechterhalten wird.

Im fünften Zwischenspiel wird ein neues Modell zum Bewusstsein eingeführt: Das Geistsystem. Im Gegensatz zum Modell der Bewusstseinsmomente wird sich hier nicht nur auf die auftretenden sieben verschiedenen Arten von Wahrnehmungen (=Bewusstseinsmomente) fokussiert, sondern es wird versucht, diese Wahrnehmungen in ein umfassenderes System des Geistes einzubetten. Ergebnis ist ein mehrteiliges System (=bewusster und unbewusster Geist), das die verschiedenen Bewusstseinsmomente als Produkte von verschiedenen Prozessen erklärt. Arbeiten diese Prozesse geschlossen und vereinigen sich um die gleiche Absicht, ist der Geist geschlossen und harmonisch. Dies wird Culadasa zufolge als Vereinigung des Geistes bezeichnet.

Die Vereinigung des Geistes ist in Hinblick auf die Meditation äußerst wichtig und wird mit fortgesetzter Praxis ab Stufe sieben sukzessive erreicht.

Stufe sechs: subtile Ablenkungen unter Kontrolle bringen

sechste Stufe vom Buch Meditation

Nach dem Überwinden von groben Ablenkungen auf Stufe vier und stabiler subtiler Dumpfheit auf Stufe fünf, geht es auf dieser Stufe nun um subtile Ablenkungen.

Dazu muss ausschließliche Aufmerksamkeit entwickelt und aufrechterhalten werden.

Ausschließliche Aufmerksamkeit entwickeln und aufrechterhalten

Vorgehen zur ausschließlichen Aufmerksamkeit

Ausschließliche Aufmerksamkeit bedeutet, dass man sich bestmöglich auf die Einzelheiten des Meditationsobjekts fokussiert und gleichzeitig alles andere ignoriert. Wichtig ist dabei, dass man beim Fokussieren zusätzlich dafür Sorge trägt, dass der Aufmerksamkeitsbereich stabil bleibt und sich nicht von allein erweitert.

Aufmerksamkeit und Gewahrsein arbeiten für das Erzielen von ausschließlicher Aufmerksamkeit Hand in Hand: Das Gewahrsein hält nach potenziellen Ablenkungen Ausschau und die Aufmerksamkeit reagiert, indem sie den Fokus strafft und die potenziellen Ablenkungen ignoriert. Je häufiger es gelingt, Ablenkungen keine Aufmerksamkeit zu geben, desto mehr wird die Balance zugunsten der Meditation verändert, wodurch wiederum weniger Ablenkungen von den Geist-Untergruppen ins Bewusstsein projiziert werden, bis sie fast ganz verschwinden.

Grundlage von der Praxis ist auch hier das kontinuierliche Fassen und Aufrechterhalten von Absichten.

Alternatives Vorgehen: Den ganzen Körper mit dem Atem wahrnehmen

Die ausschließliche Aufmerksamkeit lässt sich durch ausschließlichen Fokus auf die Atemempfindungen an der Nasenspitze erreichen. Dies ist Culadasa zufolge jedoch ein langwieriger, mühseliger Prozess. Eine angenehmere Methode zur Entwicklung ausschließlicher Aufmerksamkeit stellt die Wahrnehmung des ganzen Körpers mit dem Atem dar.

Diese Methode baut auf dem Körperscan in Kapitel fünf auf, unterscheidet sich aber in folgenden Punkten: Bei dieser Methode wird der Umfang der Aufmerksamkeit präziser festgelegt und mit besonderem Augenmerk darauf geachtet, keine Ablenkungen zuzulassen. Das unterscheidet sich insoweit von vorherigen Übungen, als dass zuvor Ablenkungen geduldet wurden und diese kommen, dableiben und gehen durften.

1. Atemempfindungen im Unterbauch wahrnehmen

Es geht zunächst darum, die Aufmerksamkeit auf die Atemempfindungen im Unterbauch zu lenken. Diese Atemempfindungen werden im peripheren Gewahrsein gehalten, während man die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Teil des Körpers lenkt, bspw. die Hand. Zunächst soll die Aufmerksamkeit dabei die Körperstelle insgesamt umfassen. (statt nur die Atemempfindungen der Körperstelle)

2. Aufmerksamkeit verfeinern

Im zweiten Schritt geht es darum, die Aufmerksamkeit zu verfeinern und nur noch die Atemempfindungen der Körperstelle wahrzunehmen. Alle anderweitig aufkommenden Empfindungen werden ignoriert, aber im peripheren Gewahrsein gelassen.

Anschließend geht man zur nächsten Körperstelle über und verfährt analog.

3. Umfang der Aufmerksamkeit vergrößern

Wichtig ist bei der Übung, dass in jedem Aufmerksamkeitsmoment die sehr starke Absicht beinhaltet ist, sich klar auf die mit dem Atem verbundenen Empfindungen zu fokussieren und alles andere auszuschließen. Nach und nach gilt es den Umfang der Aufmerksamkeit zu vergrößern und auch immer mal wieder zwischen größeren und kleineren Bereichen hin- und herzuwechseln (Bsp.: Finger/Arm).

4. Atemempfindungen an der Nasenspitze

Nach einer Weile sollte man sich wieder auf die Atemempfindungen in der Nasenspitze fokussieren. In der Folge sollte der Fokus sehr klein und gut sein. Sobald der Fokus nachlässt, gilt es die Übung wiederholen. Mit zunehmender Übung bleibt der Fokus länger auf den Atemempfindungen an der Nase.

Den Geist befrieden

Das Entwickeln und das Aufrechterhalten von ausschließlicher Aufmerksamkeit führen nach und nach zum Befrieden des Geistes. Dies wird durch zwei sich bedingende Prozesse bewirkt: Das absichtliche Ignorieren von Ablenkungen trainiert das Geistsystem, diese automatisch zu ignorieren. Das kontinuierliche Ignorieren sorgt wiederum dafür, dass potenzielle Ablenkungen von den Geist-Untergruppen nicht mehr so häufig ins Bewusstsein projiziert werden.

Dadurch, dass zunehmend Ablenkungen, Gedanken und andere konzeptuelle Objekte aus dem Bewusstsein verschwinden, verändert sich auch die Wahrnehmung. Statt wie bisher eher Konzepte des unterscheidenden Geistes wahrzunehmen, die die eigentliche Wahrnehmung des sensorischen Geistes verdecken, kommt es nun zu einer direkteren Wahrnehmung des Atems. Konzepte wie „Atem, Einatmung, Ausatmung“ weichen der direkten Wahrnehmung der Atemempfindungen.

Metakognitives introspektives Gewahrsein entwickeln

Neben der Entwicklung von ausschließlicher Aufmerksamkeit ist das Weiterentwickeln von introspektivem Gewahrsein zu metakognitivem introspektivem Gewahrsein ein weiteres Ziel auf der sechsten Stufe.

Metakognitives introspektives Gewahrsein bedeutet sich der Aktivitäten und des gegenwärtigen Zustands des Geistes bewusst zu sein. Die Aktivitäten umfassen dabei sowohl die Aktivitäten der Aufmerksamkeit (Wo geht sie hin?) als auch die Aktivitäten des Gewahrseins (Was tritt im Gewahrsein auf?). Der Zustand des Geistes bezieht sich auf die Klarheit der Wahrnehmung und die gerade vorherrschenden Absichten und Emotionen (Ist der Geist bspw. gerade unruhig, ungeduldig oder erregt?). Metakognitives introspektives Gewahrsein unterscheidet sich von introspektivem Gewahrsein in folgender Weise:

Statt sich bspw. zu erinnern, dass man ein Kompliment bekommen hat (introspektives Gewahrsein), bemerkt man, dass die Aktivität Erinnerung aufsteigt und diese zu einem angenehmen Geisteszustand führt. Man geht in der Folge jedoch nicht auf den Inhalt der Erinnerung ein, sondern belässt es bei dem Erkennen der Aktivität.

Das metakognitive Gewahrsein wird durch die starke Absicht trainiert, die Geistesaktivitäten und den Geisteszustand objektiv zu beobachten.

Ziel ist, sich zu jedem Zeitpunkt der Meditation bewusst zu sein, wie sich die Aufmerksamkeit bewegt, was für Gedanken und Emotionen auftreten, wie klar die Wahrnehmung ist und in welchem Zustand der Geist sich befindet. Basierend auf dieser Bewusstheit kann man je nach auftretendem Hindernis korrigierende Maßnahmen ergreifen:

Wird das Meditationsobjekt bspw. unklar und man verfällt in Dumpfheit, wendet man die Gegenmittel für Dumpfheit an. Bemerkt man, dass die Emotion der Langeweile auftritt und infolgedessen die Absicht nachlässt, sich auf die Atemempfindungen zu fokussieren, verstärkt man eben diese Absicht gezielt.

Meditative Versenkung zur Steigerung der Meditationsfähigkeiten

Sind die subtilen Ablenkungen unter Kontrolle gebracht, die subtile Dumpfheit überwunden und die Konzepte des Atems durch direkte Atemempfindungen ersetzt (siehe „Den Geist befrieden„), können tiefe meditative Versenkungszustände erreicht werden. Diese Versenkungszustände werden im Buddhismus als Jhana bezeichnet und können mit tiefen Flow-Zuständen verglichen werden. Für den Fortschritt in der Meditationspraxis sind diese Zustände äußerst förderlich.

Der Zustand, der Jhana unmittelbar vorausgeht, nennt sich angrenzende Sammlung oder auch Zugangssammlung. Für diesen Zustand sind drei Faktoren notwendig:

  • gezielt gerichtete, anhaltende Aufmerksamkeit
  • ausschließlicher Fokus und Vereinigung des Geistes
  • Freude und Wohlgefühl

info icon Anmerkung: Die Vereinigung des Geistes wurde zum ersten Mal im fünften Zwischenspiel thematisiert. Auf den bisherigen Stufen ist es noch nicht zu dieser Vereinigung gekommen. Das wird sich mit den kommenden Stufen jedoch ändern. Auf diesen wird die Vereinigung des Geistes auch noch einmal detaillierter ausgeführt.

Das Jhana der Ganzkörperwahrnehmung

Die erste meditative Versenkungsstufe, die Culadasa behandelt, ist das Jhana der Ganzkörperwahrnehmung. (es wird in insgesamt vier meditative Versenkungsstufen unterschieden) Um in das Jhana der Ganzkörperwahrnehmung einzutreten, geht man wie folgt vor:

Zunächst gilt es, einen Zustand von Freude und Wohlgefühl bewusst wahrzunehmen, zu fördern oder auch wachzurufen. Sobald dieser Zustand vorhanden ist, sollte man diesen im Gewahrsein behalten.

Anschließend geht man zur Wahrnehmung von allen mit dem Atem verbundenen Empfindungen über, die im ganzen Körper auftreten. Dazu kann man sich, wie in der Übung zuvor, Körperstelle für Körperstelle vorarbeiten oder, falls möglich, von der Nasenspitze direkt auf den ganzen Körper gehen. Im Unterschied zur Meditationsübung zuvor kehrt man jedoch nicht zu den Atemempfindungen an der Nasenspitze zurück, sondern verweilt bei den Atemempfindungen im ganzen Körper.

Schließlich erreicht man Phasen stabiler ausschließlicher Aufmerksamkeit auf den gesamten Körper inkl. metakognitivem Gewahrsein von Glücksgefühlen. Diese Phasen ermöglichen den Zugang zu Jhana. Jhana deutet sich an, indem der Geist nach und nach in einen Flow-Zustand gerät. Dieser Flow-Zustand zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:

  1. die Meditation wird zu etwas automatischem und die Aktivität und das Selbst sind nicht mehr voneinander getrennt
  2. es stellt sich das Gefühl von Mühelosigkeit ein
  3. es stellt sich das Gefühl ein, erfolgreich Kontrolle auszuüben

Gelangt man ins Jhana, ist dieses anfänglich noch instabil und auch noch durch ein gewisses Maß an Denken, Untersuchen und Bewerten beeinflusst. An dieser Stelle gilt es, einfach immer weiter zu üben und immer wieder ins Jhana einzutreten, wenn möglich. Dabei gilt es vor allem darauf zu achten, was im Geist passiert, ehe man ins Jhana eintritt: So versteht man zunehmend die Bedingungen besser und kann zukünftig zuverlässiger ins Jhana eintreten.

Die Stufe sechs ist insgesamt gemeistert, wenn subtile Ablenkungen unter Kontrolle gebracht worden sind und ein gutes metakognitives introspektives Gewahrsein vorhanden ist. Zusätzlich ist die Achtsamkeit stark und das Meditationsobjekt klar und deutlich. Man hat vollkommene Kontrolle über den Aufmerksamkeitsbereich und kann jedes Objekt mit einem engen oder weiten Fokus untersuchen (wie bspw. in der Übung „Den ganzen Körper mit dem Atem wahrnehmen“ vorgegeben).

Sechstes Zwischenspiel: Die Stufen eines versierten Meditierenden

sechstes zwischenspiel vom buch meditation

Die ab jetzt folgenden Stufen des versierten Meditierenden unterscheiden sich von den vorherigen Stufen insoweit, dass nicht mehr nur Fähigkeiten trainiert werden, sondern der Geist selbst transformiert wird.

Das bedeutet im Konkreten: Waren zuvor noch Ablenkungen oder Dumpfheit im Mittelpunkt der Meditation, können diese nun erfolgreicher ignoriert werden und immer wieder ausschließliche Aufmerksamkeit aufgebaut werden. Diese Fähigkeit bildet den Anfang für die startende Transformation des Geistes. Durch das kontinuierliche Fassen der Absicht, ausschließliche Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, projizieren die Untergruppen des unterscheidenden Geistes keine geistigen Objekte mehr ins Bewusstsein. Es treten folglich weniger Ablenkungen auf.

Das Erreichen von ausschließlicher Aufmerksamkeit erfordert auf Stufe sechs eine kontinuierliche Anstrengung. Dies ändert sich jedoch auf Stufe sieben: Die Transformation des Geistes setzt sich fort und es vereinen sich immer mehr Untergruppen des unterscheidenden Geistes um die Absicht, den ausschließlichen Aufmerksamkeitsfokus aufrechtzuerhalten. Dies führt in der Folge zum vollständigen Befrieden des unterscheidenden Geistes, auch geistige Geschmeidigkeit genannt. Das, was zuvor noch mühevoll war, ist nun mühelos: stabile Aufmerksamkeit und starke Achtsamkeit. (Vgl.: Teil III, Vereinigung des Geistes)

Damit endet die Reise aber noch nicht: nachdem der unterscheidende Geist befriedet wurde, geht es auf Stufe acht um das Befrieden des sensorischen Geistes. Auch hier vereinen sich die Untergruppen langsam, was sich darin äußert, dass gewöhnliche Empfindungen in Form von Geräuschen, inneren Bildern und körperlichen Wehwehchen verschwinden und anschließend durch innerlich erzeugte Sinnesempfindungen ersetzt werden. Diese Sinnesempfindungen sind höchst ungewöhnlich, entstehen spontan und sind je nach Geist-Untergruppe (visueller Geist, auditiver Geist etc.) unterschiedlich beschaffen. Ist der sensorische Geist schließlich befriedet, verschwinden die ungewöhnlichen Sinnesempfindungen und es setzt körperliche Geschmeidigkeit ein. Körperliche Geschmeidigkeit äußert sich darin, dass man problemlos lange sitzen kann und sich nach einer Meditationssitzung stark und energiegeladen fühlt. Die körperliche Geschmeidigkeit gipfelt in der Glückseligkeit körperlicher Geschmeidigkeit, ein Gefühl des Wohlbehagens, das den ganzen Körper durchströmt.

Der Vereinigungsprozess setzt sich daraufhin weiter fort und erfüllt im nächsten Schritt den gesamten Geist mit Freude (meditative Freude), was schließlich zur Glückseligkeit geistiger Freude führt.

Auf Stufe neun herrschen gemeinsam meditative Freude, die Glückseligkeit geistiger und die Glückseligkeit körperlicher Geschmeidigkeit vor. Mit zunehmender Übung klingt die Intensität der Glückseligkeit ab und es folgen Ruhe und Gestilltheit, was wiederum zu Gleichmut führt.

Die zehnte Stufe ist schließlich von fast vollständiger Vereinigung des Geistes geprägt. Es herrschen fünf wesentliche Merkmale vor: Stabile Aufmerksamkeit, starke Achtsamkeit, Freude, Gestilltheit, Ruhe, Gleichmut. Diese Merkmale machen Shamatha aus, einen besonderen mentalen Zustand, der ideal ist, um Einsicht in die Natur der Wirklichkeit zu erhalten. Am Ende von Stufe zehn setzt sich Shamatha auch zwischen den Meditationssitzungen fort.

Ungewöhnliche Empfindungen, meditative Freude und Hindernisse

Im Vereinigungsprozess des Geistes treten je nach Fortschritt unterschiedliche Eigenheiten auf. Im Folgenden soll auf zwei dieser Eigenheiten näher eingegangen werden: Die ungewöhnlichen Sinneserfahrungen beim Befrieden des sensorischen Geistes und die meditative Freude, die mit zunehmender Vereinigung des Geistes auftritt.

Ungewöhnliche Sinneserfahrungen

Das Befrieden der Sinne ereignet sich dadurch, dass im Gewahrsein präsentierte sensorische Informationen beständig ignoriert werden. Das führt dazu, dass die sensorischen Untergruppen aufhören, Inhalte ins Bewusstsein zu projizieren.

Die gewöhnlichen Empfindungen bleiben, wie bereits ausgeführt, jedoch nicht nur aus, sondern werden durch innerlich erzeugte, spontane Wahrnehmungen ersetzt. Diese sind Vorläufer der körperlichen Geschmeidigkeit und umfassen je Sinn unterschiedliche Ausprägungen:

körperliche Wahrnehmung

Bei der körperlichen Wahrnehmung treten Reaktionen des vegetativen Nervensystems und Änderungen in der Wahrnehmung von Körperempfindungen auf.

Ersteres kann sich u.a. durch Wärme-/Kälteempfindungen, Jucken, Krabbeln oder Taubheitsgefühlen äußern, während letzteres sich durch eine gänzlich andere Körperwahrnehmung auszeichnet, die unterschiedlich beschrieben wird. Manche empfinden ihren Körper als leer, andere als Energiefeld und andere haben wiederum gänzlich Schwierigkeiten die Erfahrung zu beschreiben.

Auch die Wahrnehmung des Körpers im Raum (Propriozeption) ändert sich und die empfundene Position kann sich deutlich von der tatsächlichen Position unterscheiden (Bsp.: man denkt man steht, sitzt aber).

visuelle Wahrnehmung

Beim Sehsinn werden die gewöhnlichen, auch mentalen Bilder durch ein inneres, umfassendes Licht ersetzt. Zuvor kommen u.a. häufig kurze Lichtblitze oder kleine helle Punkte auf.

akkustische Wahrnehmung

Auch beim Hörsinn kommt es zu einer Überlagerung der gewöhnlichen Wahrnehmung: das zugehörige Phänomen wird als weißes Rauschen, Summen, Brummen oder auch als fließendes Wasser bezeichnet.

Geschmacks- und Geruchs-Wahrnehmung

Der Geschmacks- und Geruchssinn spielt bei vielen Menschen eher eine untergeordnete Rolle: entsprechend treten Phänomene hier auch nur bei wenigen Meditieren auf: Diese berichten von angenehmen Düften und Geschmäckern.  

Insgesamt gilt bei all diesen Erfahrungen festzuhalten, dass diese für sich genommen keine Bedeutung haben. Man sollte daher diese Phänomene in keiner Form bewerten und diese einfach ignorieren. Sollten die Phänomene nicht auftreten, sollte man diesen auch nicht nachjagen.

Einen Grund zur Sorge geben die Phänomene auch nicht: all diese Zustände lassen sich durch eine Verlagerung der Aufmerksamkeit jederzeit bewusst abbrechen.

meditative Freude

Als zweite Eigenheit des Vereinigungsprozesses soll auf die meditative Freude eingegangen werden. Der meditativen Freude geht das Gefühl voraus, dass Energieströme durch den Körper fließen. Diese Energieströme sind anfangs in Form eines Prickelns oder Schwingungen an Körperstellen kaum wahrnehmbar, je stärker der Vereinigungsprozess voranschreitet, desto stärker werden jedoch auch die Energieströme. Diese treten dann in unterschiedlichsten Formen auf, können plötzlich oder kontinuierlich da sein, intensiv oder gleichmäßig, angenehm oder unangenehm. Häufig werden die Energieströme von unwillkürlichen Körperbewegungen (Zuckungen, Schwanken etc.) begleitet.

Solange die Energiemanifestationen sanft sind, sollte man diese einfach zur Kenntnis nehmen, da sein lassen und so lange ignorieren bis sie verschwinden. Sollten die Energieströme jedoch heftiger ausfallen oder sogar Schmerzen auftreten, empfiehlt Culadasa als Ergänzung zur Meditation Tajiquan, Qigong oder Yoga.

Letztlich sind diese Energieströme lediglich Manifestationen des Geistes und stellen weder eine Gefahr dar, noch sind sie Anlass zur Sorge. Auch hier betont Culadasa, dass man diesen Phänomen nicht nachjagen sollte, sie festhalten oder gar heraufbeschwören sollte.

Hindernisse bei der Vereinigung des Geistes

Das Auftreten der beschriebenen Phänomene hängt unmittelbar mit dem Meditationsfortschritt und der Vereinigung des Geistes zusammen. Dieser Prozess kann jedoch durch unterschiedliche Probleme behindert werden. Die größten Hindernisse sieht Culadasa an dieser Stelle in der Abneigung und der Erregung.

Hindernis der Abneigung

Das Hindernis der Abneigung kann viele negative Geisteszustände beinhalten: Ungeduld, Angst, Groll, Hass, eine kritische Haltung gegen sich selbst oder andere.  Auch ohne sich der Abneigungen bewusst zu sein, können diese den Befriedungsprozess stoppen und verhindern, dass sich körperliche und geistige Geschmeidigkeit voll entwickeln.

Hindernis der Erregung

Zum Hindernis der Abneigung gesellt sich das Hindernis der Erregung aufgrund von Reue und Besorgnis dazu.

Auch wenn der Fokus stabil ist und der Geist frei von Gedanken scheint, können Reue über die Vergangenheit und Sorgen über die Zukunft im Unbewussten weiter schwelen. Sind Reue und Sorgen vorhanden, kann keine vollständige meditative Freude entstehen.

Um beiden Hindernissen entgegenzuwirken, ist das wichtigste, sich selbst keine Vorwürfe zu machen. Die genannten Hindernisse treten bei allen Menschen auf und sind natürlich. Ist die Grundeinstellung korrigiert, kann man Abneigung durch die Meditation der liebenden Güte begegnen. Darüber hinaus gilt es, permanent auf seine Gedanken, Emotionen und Verhalten zu achten und schlechte Gewohnheiten aufzugeben. Man sollte Freude kultivieren und bei Sorgen oder Zweifeln lernen, an etwas Positives zu denken. Begangenes Unrecht aus der Vergangenheit gilt es, wieder gut zu machen, um Vergebung zu bitten und vor allem sich selbst zu verzeihen.

Künftige Besorgnis und Reue lässt sich am besten Vermeiden, wenn man die Voraussetzungen dafür tagtäglich untergräbt. Dazu empfiehlt Culadasa ein ethisches Verhalten im Alltag  und zur Unterstützung die Praxis der achtsamen Rückschau*, bei der man seinen Tag achtsam reflektiert.

*Hinweis: die Praxis der achtsamen Rückschau wird im Anhang des Buches thematisiert. Da diese wie die Meditation der liebenden Güte nicht zentral für das „Meistern“ der zehn Stufen ist, wird auf eine Ausführung dieser Technik verzichtet.

Einsichtserfahrungen und das Erlangen der höchsten Einsicht

Durch die bisherige Praxis konnten Culadasa zufolge wahrscheinlich nach und nach Einsichten in die eigene Handlungs- und Denkweise erlangt werden. Die ab den kommenden Stufen folgenden Einsichten sind jedoch Erfahrungen, die die eigene Weltsicht anfechten und zum Erwachen führen können.

info icon Anmerkung: Wie in der Einleitung dargestellt, stellt das Erwachen das eigentliche Ziel der Meditationspraxis dar.

Diese Erfahrungen treten gehäuft sowohl in der Meditation und im Alltag auf und führen dazu, dass man sich selbst und seine Beziehung zur Welt anders wahrnimmt. Die bisherige Weltanschauung wird durch fünf zentrale Einsichten ersetzt:

  • Unbeständigkeit: Es gibt nur Veränderung und nichts, an dem man sich festhalten oder auf das man sich verlassen kann.
  • Leerheit: Nichts ist so, wie es erscheint. Alles, was man beobachtet, sind letztlich Konstrukte des Geistes.
  • kausale und wechselseitige Abhängigkeit aller Phänomene (bedingtes Entstehen): Alles steht in Abhängigkeit zueinander. Das Gefühl, die Kontrolle innezuhaben, ist eine Illusion.
  • Natur des Leidens: Leid entsteht durch das Verlangen, Leid zu vermeiden und Vergnügen nachzujagen
  • Ich als Illusion: ein eigenständiges Ich ist eine Illusion. Durch diese Illusion entstehen Bedürfnisse, die zu Leid führen. (siehe Natur des Leidens)

Stufe sieben: ausschließliche Aufmerksamkeit und das Vereinen des Geistes

siebte Stufe vom Buch Meditation

Wie im vorherigen Zwischenspiel beschrieben, erfolgt ab Stufe sieben der Übergang vom geschulten zum versierten Meditierenden. In der Praxis bedeutet das, dass das Aufrechterhalten ausschließlicher Aufmerksamkeit und starker Achtsamkeit nun mühelos erfolgt.

Um zu dieser Mühelosigkeit zu gelangen, ist eine vollständige Befriedung des unterscheidenden Geistes notwendig. Dazu gilt es die bisherige Praxis einfach fortzusetzen: geistige Objekte ignorieren, ausschließliche Aufmerksamkeit erlangen und aufrechterhalten. Für diesen Prozess kann man unterstützend auf die Übung „den ganzen Körper mit dem Atem wahrnehmen“ aus Stufe sechs zurückgreifen. Weiterhin sollte man das introspektive Gewahrsein beibehalten, um potenzielle Ablenkungen schnell zu erkennen und dann den Aufmerksamkeitsfokus auf den Atem sofort wieder zu verstärken.

Je häufiger und länger man ausschließliche Aufmerksamkeit und stärkere Achtsamkeit erlangt, desto schneller gewöhnt sich der Geist an diese Zustände.

Auf dieser Stufe ist es wichtig, beharrlich und ausdauernd zu bleiben. Denn: nach ersten Erfolgen besteht die Versuchung von seinem Bemühen abzulassen, was jedoch nur zu Ablenkungen und subtiler Dumpfheit führt. Schafft man es, nach und nach länger fokussiert und wach zu bleiben, dauert es noch eine ganze Weile, bis der Geist vollständig befriedet ist. Stattdessen folgen zunächst immer mehr trockene und öde Phasen. Es kommt nichts neues mehr, die Zweifel nehmen zu und die Versuchung aufzugeben oder etwas anderes zu machen ist groß.

In dieser Phase ist es wichtig, Vertrauen, Zuversicht und Geduld zu haben, die Gefühle des Zweifels zur Kenntnis zu nehmen, zu akzeptieren und immer wieder zum Meditationsobjekt zurückzukehren.

Culadasa empfiehlt zusätzlich, sich noch einmal mit dem zweiten Zwischenspiel auseinanderzusetzen, das sich mit Hindernissen und Problemen befasst. Daneben bringt Culadasa drei Praxisübungen ins Spiel, die Abwechslung in die Meditation bringen und so helfen, die „Durststrecke“ zu überwinden.

Übung 1: Untersuchung geistiger Objekte

Bei dieser Übung hält man den auf den Atem gerichteten ausschließlichen Fokus bei, während man geistige Objekte mit dem metakognitiven introspektiven Gewahrsein auf nichtdiskursive Weise untersucht.

Die geistigen Objekte können Gedanken, Erinnerungen oder Emotionen sein. Diese können jeweils unterschiedliche Formen annehmen: bei Gedanken kann es sich bspw. um Selbstgespräche, innere Bilder und kinästhetische Gefühle handeln. Letzteres sind Gefühle, die einem vermitteln etwas zu tun, bspw. nach dem Telefon zu greifen und eine Nummer zu wählen. Erinnerungen können verbaler, visueller oder auch kinästhetischer Natur sein und Emotionen sind hauptsächlich kinästhetischer Natur.

Je aufmerksamer man die geistigen Objekte beobachtet, desto mehr wird man sich dem Denken bewusst, das vor dem Denken stattfindet. Das bietet Einblicke in die Funktionsweise des Geistes. In manchen Situationen ist das Denken vollständig abwesend, stattdessen kommen Freude, Glücksgefühle und Energie auf. Auch das hilft der Befriedung des Geistes und wirkt obendrein der Eintönigkeit auf dieser Stufe unmittelbar entgegen.

Übung 2: Aufmerksames Folgen

Die Übung des aufmerksamen Folgens ist eine intensivere Version der Technik „Dem Atem folgen“. Dabei geht es darum, noch gründlicher die vielen verschiedenen Empfindungen beim Atmen zu ermitteln. Fokussiert man sich immer mehr, kann man pro Atemzug mehrere dutzend Empfindungen wahrnehmen.

Setzt man diese Praxis fort, bleibt es jedoch nicht bei einer Vielzahl von Empfindungen, sondern nach und nach ändert sich die Wahrnehmung des Atems selbst. Statt vieler Atemempfindungen, die gleichmäßig und kontinuierlich erfolgen, wirken die Atemempfindungen im zweiten Schritt eher abgehackt oder pulsierend. Betrachtet man diese Empfindungen näher, ändert sich die Pulswahrnehmung weiter, bis man schließlich zu einer Ebene gelangt, wo Atemempfindungen nur noch als Aufflackern und Verlöschen einzelner Bewusstseinsmomente oder Schwingungen wahrgenommen werden. Bei dieser Erfahrung kann der Geist nichts erkennen und sich an nichts festhalten, weshalb er als natürliche Reaktion davor zurückschreckt. Schafft man es erneut, diese Erfahrung zu machen, bietet sich die Chance einer Einsichtserfahrung in die Vergänglichkeit.

Auch an dieser Stelle betont Culadasa jedoch, dass man nicht erwarten sollte, dass etwas in dieser Form geschieht. Zusätzlich könnte je nach Grad der Einsichtserfahrung durch einen Einblick in die Vergänglichkeit auch eine Hoffnungslosigkeit entstehen, die sich im schlimmsten Fall auf den Alltag auswirkt. An dieser Stelle ist es wichtig, trotz aller Unwägbarkeiten weiter zu praktizieren und diese „Phase“ zu überwinden.

Übung 3: Praxis der Jhanas der Glücksgefühle

Zu guter Letzt stellt Culadasa eine weitere Jhana Praxis vor. Die bisher kennengelernte Jhana Praxis bezieht sich auf die Ganzkörperwahrnehmung, die nun folgende bezieht sich auf angenehme Empfindungen (auch =Jhana der Glücksgefühle). Das Jhana der Glücksgefühle ist stärker und befriedigender als das bisher kennengelernte Jhana.

Um in dieses Jhana zu gelangen, muss zunächst ein Zustand von anhaltender Stille, Stabilität und geistiger Klarheit vorhanden sein. Die Aufmerksamkeit sollte präzise auf die Nasenspitze gerichtet sein und das Gewahrsein scharf gehalten werden. Analog dem Jhana der Ganzkörperwahrnehmung gilt es, zunächst in den Zustand der Zugangssammlung zu gelangen. Dort angekommen belässt man die Aufmerksamkeit auf dem Atem, während man das periphere Gewahrsein erkundet und eine angenehme Empfindung ausfindig macht.

Auf diese angenehme Empfindung richtet man anschließend die Aufmerksamkeit und versucht das Angenehme und nicht die Empfindung, von der das Angenehme hervorgerufen wird, näher zu untersuchen. Wichtig ist dabei, nicht aktiv etwas zu tun, sondern einfach nur zu beobachten.

Nach und nach wird sich das angenehme Gefühl intensivieren und die Empfindung sich ausweiten, bis sie die gesamte verfügbare Bewusstseinsspanne einnimmt. Der Flow-Zustand (= das Jhana) ist erreicht.

Ablenkungen durch merkwürdige Empfindungen, Wiedersehen mit der geistigen Reinigung

Das auf dieser Stufe fortschreitende Befrieden der Sinne erzeugt, wie im siebten Zwischenspiel beschrieben, bizarre Sinneserfahrungen. Diese Erscheinungen sind zu ignorieren und nicht wegzuschieben oder zu jagen.

Neben bizzaren Sinneserfahrungen kann es auf dieser Stufe ebenfalls zu einer weiteren geistigen Reinigung analog von Stufe vier kommen. Diese kann kapitale Ablenkungen wie starke Emotionen, verstörende innere Bilder und eindrückliche Erinnerungen umfassen. Wichtig ist, sich auf diesen Prozess einzulassen, da er wesentlich für den weiteren Fortschritt ist.

Mühelosigkeit erkennen und Hindernisse der Mühelosigkeit

Verfolgt man die am Anfang des Kapitels beschriebenen Schritte zum Aufrechterhalten ausschließlicher Aufmerksamkeit und starker Achtsamkeit und übt diszipliniert, stellt sich nicht unbedingt automatisch Mühelosigkeit ein. Der Grund dafür: Die Praxis ist nach wie vor von kontinuierlicher Anstrengung zur Wachsamkeit geprägt.

Diese kontinuierliche Anstrengung war bisher notwendig. Mit zunehmender Praxis weicht jedoch die Notwendigkeit, da sich immer mehr Untergruppen des unbewussten Geistes um die gemeinsame Absicht vereinen, sich auf die Atemempfindungen zu konzentrieren. Der Geist ist nun trainiert und Mühelosigkeit erzielbar.

An dieser Stelle ist es nun wichtig, loszulassen und zur Mühelosigkeit überzugehen. Den richtigen Moment zu erkennen ist Culadasa zufolge dabei nicht ganz einfach: Die kontinuierliche Anstrengung ist mittlerweile eine Gewohnheit geworden. Um herauszufinden, ob der richtige Zeitpunkt gekommen ist, gilt es daher auszuprobieren: Ab und an kann man versuchen, sich etwas weniger zu bemühen: Kehren dann Ablenkungen und Dumpfheit zurück, ist der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen. Halten Aufmerksamkeit und Achtsamkeit jedoch an und kommen Freude und Glücksgefühle auf, hat man den Zustand der Mühelosigkeit erreicht.

Eine Schwierigkeit beim Loslassen kann das Bedürfnis nach Kontrolle sein, ausgelöst durch Verlangen oder Angst. Diesem Bedürfnis nach Kontrolle kann nur dadurch begegnet werden, dass man sich vollkommen ergibt, die Praxis geschehen lässt, ohne die Praxis zu „machen“ und vollständig auf den Prozess vertraut. Schafft man es regelmäßig und ohne Probleme Mühelosigkeit zu erreichen und nahezu die ganze Sitzung darin zu verweilen, hat man die siebte Stufe erfolgreich absolviert.

Siebtes Zwischenspiel: Die Natur des Geistes und des Bewusstseins

siebtes zwischenspiel vom buch meditation

Von der siebten Stufe an verbessert sich die Qualität der Achtsamkeit drastisch. Dies dürfte mit dem bisherigen Modell der Bewusstseinsmomente jedoch nicht der Fall sein, da ab Stufe fünf die Anzahl der wahrnehmenden Geistmomente zunimmt und mit jeder weiteren Stufe immer weniger nichtwahrnehmende Geistmomente übrigbleiben. Die Steigerung der Achtsamkeit müsste folglich abnehmen.

Dass die Achtsamkeit dennoch stark zunimmt, hängt mit einer wesentlichen Komponente in jedem Bewusstseinsmoment zusammen: der Absicht. Zwar nimmt die Anzahl der bewussten Momente nicht zu, die bewusste Absicht, sich auf den Atem zu fokussieren und das Gewahrsein offen zu halten, wird jedoch stärker. Dies ist der Fall, da mit zunehmender Übung immer mehr Untergruppen die gleiche Absicht unterstützen: Die Vereinigung des Geistes schreitet voran. (Vgl. Fünftes Zwischenspiel)

Die Involvierung von immer mehr Geist-Untergruppen führt dazu, dass auch Untergruppen, die von neuen Informationen bisher eher abgeschottet waren, diese nun erhalten. Dadurch werden alte, gewohnte Reaktionen aufgeweicht und im besten Falle sogar vollständig umprogrammiert. (Vgl. zweite und dritte Ebene in: Drittes Zwischenspiel) Im gleichen Maße ist es bei Einsichtserfahrungen wichtig, wie viele Untergruppen involviert sind. Sind ausreichend viele Geist-Untergruppen involviert, dringt die Einsicht in weite Teile des Geistes vor, was zu einer tiefgehenden Änderung der Konstruktion der Realität führt.

Erfahrung des Erlöschens

Eine der tiefstgreifenden Einsichtserfahrungen ist die Erfahrung des Erlöschens. Dazu kommt es, wenn unbewusste Geist-Untergruppen Inhalte im Bewusstsein beobachten, aber nicht mit dem üblichen Verlangen und Anhaften auf diese reagieren. Stattdessen werden die Inhalte als geistige Konstrukte, leer von jeglicher Substanz und als vergänglich erkannt. Daraus folgt die gemeinsame Absicht der Untergruppen nicht zu reagieren: Es wird kein weiterer Inhalt ins Bewusstsein projiziert und das Bewusstsein erlischt komplett. Mit diesem Ereignis geht die Erkenntnis der Untergruppen einher, dass alles, was im Bewusstsein erscheint, das Produkt der eigenen Aktivität ist.

Dieses Ereignis muss von jeder involvierten Untergruppe in der ein oder anderen Form in ihre Darstellung der Realität eingegliedert werden. Es kommt zu Neuprogrammierungen und je nachdem, wie viele Untergruppen bei dem Ereignis involviert waren (= wie vollständig der Geist geeint ist), kann es zu einer vollständigen Transformation kommen.

Erweiterung des Geistsystem-Modells

Das im fünften Zwischenspiel ausgeführte Geistsystem erweitert Culadasa nun noch einmal um eine weitere Komponente. Dazu führt Culadasa aus, dass der bewusste Geist als Ort des Informationsaustausches (=Locus) nicht einzigartig ist, sondern sich die Grundstruktur des Geistes vielmehr auf vielen verschiedenen Ebenen wiederholt.

Demnach besteht jede Untergruppe des unbewussten Geistes aus weiteren Untergruppen. Auf jeder Ebene gibt es Orte (=Loci), in denen analog zum bewussten Geist Informationen ausgetauscht werden. Das Bewusstsein ist Culadasa zufolge nur besonders, weil es als einziges subjektiv erfahren wird und sich auf der höchsten Ebene des Geistsystems befindet. Daraus folgt aber auch, dass Informationen, die in das Bewusstsein kommen, in der Regel bereits durch verschiedene Untergruppen stark modifiziert worden sind.

Informationsverarbeitung im sensorischen Geist

Bezogen auf den sensorischen Geist gestaltet sich der Informationsaustausch wie folgt: Anstatt dass jede Sinnes-Untergruppe ihre Informationen direkt ins Bewusstsein spielt, um sie dort den anderen Untergruppen und dem unterscheidenden Geist zur Verfügung zu stellen, werden Informationen zunächst in einem Informationsaustausch-Locus des sensorischen Geistes zur Verfügung gestellt. Dort können andere Sinnes-Untergruppen Informationen ergänzen oder verändern, ehe sie dann gebündelt in Form von Bindungsmomenten ans Bewusstsein weitergegeben werden. Dazu ein Beispiel:

Eine auditive Information kann durch eine visuelle Information ergänzt werden (oder andersherum). Das kann bspw. der Fall sein, wenn die auditive Untergruppe ein Geräusch hört, dieses aber nicht zuordnen kann. Die visuelle Untergruppe liefert Input zur Quelle des Geräuschs, wodurch die Informationen in Form von Bindungsmomenten miteinander verknüpft werden können. Das kann im Konkreten eine Stimme sein, die mit einer Person verknüpft wird: So wird erkannt, welche Person gerade spricht. 

info icon Anmerkung: Bisher wurden Bindungsmomente im Rahmen des Geistsystem Modells der fünften Zwischenstufe ausschließlich mit dem erzählenden Geist in Verbindung gebracht. Mit der Erweiterung des Geistsystem-Modells kommt Bindungsmomenten eine größere Rolle zu: sie sorgen für die Kommunikation in den verschiedenen Loci.

Informationsverarbeitung im unterscheidenden Geist

Der Informationsaustausch des unterscheidenden Geistes funktioniert im Großen und Ganzen wie im ersten Modell zum Geistsystem beschrieben. Die Informationen von den sensorischen Untergruppen werden ins Bewusstsein projiziert, wo sie vom unterscheidenden Geist weiterverarbeitet und wieder ins Bewusstsein gespielt werden. Von da aus übernimmt der erzählende Geist, der die Informationsverarbeitung auf der höchsten Ebene durchführt.

Die zentralen Inhalte sind wie beim sensorischen Geist letztlich Bindungsmomente der oberen Ebenen. Diese Bindungsmomente können durch Bindungsmomente von unteren Ebenen angereichert werden, um eine vielfältigere Wahrnehmung zu ermöglichen. Je weniger komplex und abstrakt das Denken ausfällt, desto mehr Bindungsmomente von unteren Ebenen gelangen in das Bewusstsein. Dies ist bspw. bei der Meditation der Fall.

Anwendung des erweiterten Modells auf die Meditationserfahrung

Stabile Aufmerksamkeit und starke Achtsamkeit führen dazu, dass man Ereignisse beobachten kann, die dem untrainierten Geist ansonsten nicht zugänglich sind. Durch den Fokus auf bestimmte Geistmomente treten diese deutlicher und häufiger hervor. Dies ist wie folgt zu erklären: die Absicht, den Fokus auf etwas bestimmtes zu richten, führt dazu, dass die Untergruppen dies vermehrt ins Bewusstsein projizieren. Bei aufrechterhaltener Aufmerksamkeit kann man so nach und nach Zugang zu Ebenen erhalten, auf denen sensorische Rohdaten umgewandelt werden. Das kann von der Wahrnehmung einzelner Perzepte bis hin zu Sinnesinformationen, noch ehe sie in Perzepte umgewandelt worden sind, reichen.

Übungspraktiken, die diese subtilen geistigen Prozesse eingehender untersuchen, folgen auf den kommenden Stufen und umfassen unter anderem die Meditation über das Entstehen in Abhängigkeit und das Untersuchen des Zeit- und Raumgefühls.

Hinweis zu –  Handbuch Meditation: Dieser Artikel ist Teil der Artikelserie „Buchrezension: Handbuch Meditation„.

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