Hinweis: Dieser Artikel ist ein Teil der Artikelserie: „Buchrezension: Handbuch Meditation

Rückblick zu Teil IV

In Teil IV der Buchzusammenfassung Handbuch Meditation geht es abschließend zu den verschiedenen Formen der abschweifenden Aufmerksamkeit (Bsp.: starke Dumpfheit, subtile Dumpfheit, grobe Ablenkungen) um subtile Ablenkungen. Diesen wird auf Stufe sechs durch ausschließliche Aufmerksamkeit begegnet – einer Aufmerksamkeit, bei der neben dem Meditationsobjekt alles andere konsequent ignoriert wird. Um ausschließliche Aufmerksamkeit zu entwickeln, empfiehlt Culadasa, weiterhin mit dem Fokus auf den Atemempfindungen an der Nasenspitze zu arbeiten. Zusätzlich stellt Culadasa die Übung „Den ganzen Körper mit dem Atem wahrnehmen“ vor, die eine Weiterentwicklung des bereits auf Stufe fünf vorgestellten Körperscans darstellt.

Neben der Entwicklung von ausschließlicher Aufmerksamkeit ist das Entwickeln von metakognitivem introspektivem Gewahrsein ein weiteres Ziel auf dieser Stufe. Metakognitives introspektives Gewahrsein bedeutet sich der Aktivitäten und des gegenwärtigen Zustands des Geistes (kontinuierlich) bewusst zu sein. Im Gegensatz zum introspektiven Gewahrsein achtet man beim metakognitiven introspektiven Gewahrsein nicht explizit auf den Inhalt. Statt sich bspw. zu erinnern, dass man ein Kompliment erhalten hat (introspektives Gewahrsein), beinhaltet das metakognitive Gewahrsein lediglich die Beobachtung, dass die Aktivität „Erinnerung“ aufsteigt. Abschließend zu Stufe sechs stellt Culadasa eine Übung vor, mithilfe derer man in tiefe meditative Versenkungszustände (=Jhana) gelangen kann. Diese Zustände können mit tiefen Flow-Zuständen verglichen werden und sind für den weiteren Meditationsfortschritt äußerst förderlich.

Das sechste Zwischenspiel bildet den Übergang zum versierten Meditierenden: Die Entwicklung der wesentlichen Meditationsfähigkeiten ist abgeschlossen und die Anwendung dieser Fähigkeiten führt auf allen weiteren Stufen zur Transformierung des Geistes selbst. Diese Transformierung wird Vereinigung des Geistes genannt und bezieht sich darauf, dass sich immer mehr Untergruppen der verschiedenen Geistteile um die gleiche Absicht (=zu meditieren) vereinen. Die Vereinigung führt zu unterschiedlichen Erfahrungen, unter anderem zu ungewöhnlichen Sinneserfahrungen beim Befrieden des sensorischen Geistes und einer intensiven Freude (genannt: meditative Freude). Die Vereinigung setzt sich auf den weiteren Stufen mit unterschiedlichen Merkmalen fort und wird schließlich auf Stufe zehn, mit dem fortwährenden Aufrechterhalten von Shamatha, einem besonderen mentalen Zustand, abgeschlossen.

Die siebte Stufe stellt den Beginn der beschriebenen Transformation dar. Ziel auf dieser Stufe ist es, die bisher kontinuierliche Anstrengung bei der Übung durch Mühelosigkeit zu ersetzen. Auch hier stellt Culadasa in Ergänzung zur eigentlichen Übung (=Atemempfindungen an der Nasenspitze wahrnehmen) drei weitere Übungen vor. Mit der fortschreitender Meditationspraxis ist das Auftreten von Einsichtserfahrungen unausweichlich. Im siebten Zwischenspiel geht Culadasa näher auf eine solche Erfahrung ein: Der Erfahrung des Erlöschens. Das Kapitel beschließt Culadasa mit einer letzten Anpassung am Geistsystem Modell. Diese beinhaltet, dass neben dem bewussten Geist als Ort des Informationsaustausches weitere Orte des Informationsaustausches auf Ebenen der Untergruppen existieren.

Stufe acht: Geistige Geschmeidigkeit und das Befrieden der Sinne

achte Stufe vom Buch Meditation

Die Stufe acht beginnt man mit der Fähigkeit, mühelos ausschließliche Aufmerksamkeit und starke Achtsamkeit aufbauen und aufrechterhalten zu können. Der Geist ist nun gefügig und damit geht eine neue Fähigkeit einher: die Fähigkeit des Erforschens. Diese Fähigkeit gilt es mithilfe von verschiedenen Meditationsübungen auszubauen und zur Untersuchung des eigenen Geistes zu nutzen. Dies stellt das erste Ziel der achten Stufe dar.

Das zweite Ziel ist die vollständige Befriedung des sensorischen Geistes. Diese Befriedung führt zu körperlicher Geschmeidigkeit und voll entwickelter meditativer Freude. (Vgl. Sechstes Zwischenspiel)

Den neuen gefügigen Geist trainieren und erforschen

Zum Trainieren des Geistes gibt es auf dieser Übungsstufe Übungen, die spezifisch auf die Aufmerksamkeit oder das metakognitive Gewahrsein ausgerichtet sind.

Aufmerksamkeitsübungen

Durch die erworbene Mühelosigkeit hat man eine vollkommen neue Kontrolle über die Aufmerksamkeit erreicht. Man kann die Aufmerksamkeit vom Umfang, von der Länge und vom Objekt her steuern wie es einem beliebt, ohne die Stabilität dabei zu verlieren. Mit den folgenden Übungen kann man diese Kontrolle für sich entdecken und ausprobieren.

Momentane Konzentration

Bei der momentanen Konzentration wählt man zunächst eine deutliche Empfindung im peripheren Gewahrsein aus. Eine solche Empfindung können bspw. vom Geist erzeugte Empfindungen, Energiebewegungen oder körperliche Bewegungen sein. Hat man eine deutliche Empfindung ausgewählt, macht man sie zum Objekt des ausschließlichen Fokus. Die Atemempfindungen lässt man ins periphere Gewahrsein übergehen oder lässt sie gänzlich verschwinden. Verflüchtigt sich das sensorische Objekt, kehrt die Aufmerksamkeit automatisch zum Atem zurück. Anschließend wählt man eine neue Empfindung aus und geht mit ihr analog vor.

Meditationsobjekt bei dieser Aufmerksamkeitsübung sollten zunächst nur physische oder vom Geist erzeugte Empfindungen, die durch das Befrieden aufkommen, sein. Kann die Aufmerksamkeit und das metakognitive Gewahrsein dabei gut gehalten werden, kann man in einem zweiten Schritt auf geistige Objekte wie gefühlsbedingte Reaktionen und Emotionen übergehen. (Bspw. die Freude, dass Vögel vor dem Fenster zwitschern, Ärger über einen Juckreiz etc.)

Über das Entstehen und Vergehen meditieren

Eine weitere Übung zur Schulung der Aufmerksamkeit beinhaltet, das Entstehen und Vergehen von Phänomenen mithilfe der Aufmerksamkeit genau zu beobachten. Dazu gehört bspw. die Beobachtung, dass bestimmte Empfindungen oder gefühlsbedingte Reaktionen entstehen, vergehen und dann durch ein neues, sehr ähnliches Objekt ersetzt werden.

Ein Beispiel dafür kann ein anhaltendes Geräusch sein, das durch eine Reihe einzelner Laute ersetzt wird oder eine Emotion, die durch eine Reihe ähnlicher Geisteszustände ersetzt wird, die in Wellen kommen und gehen. Durch die Klarheit der Wahrnehmung und Schnelligkeit des Geistes können diese Phänomene nun in einer Deutlichkeit wahrgenommen werden wie noch nie zuvor.

Übungspraktiken zur Verbesserung des metakognitiven Gewahrseins

Im Weiteren soll der Umgang mit Inhalten zunehmend verändert werden. Anstatt nur die Objekte zu erkennen und wahrzunehmen geht es nun zunehmend um den Akt des Erkennens selbst. Dazu ist es wichtig, das periphere Gewahrsein zunehmend metakognitiv zu entwickeln und die Aktivitäten und den Zustand des Geistes kontinuierlich zu beobachten. Inhalte werden so als Bestandteil der im Geist stattfindenden Aktivität wahrgenommen. Ertönt bspw. ein Klang, wird nicht vorrangig der Klang beobachtet, sondern der Vorgang des Hörens.

Auch hierzu stellt Culadasa mehrere Übungen vor:

Frei wählbare Aufmerksamkeit

Eine Übung, um das metakognitive Gewahrsein weiter zu entwickeln, ist die frei wählbare Aufmerksamkeit. Bei dieser Praxis lässt man zu, dass die Aufmerksamkeit den Objekten folgt, die mit der stärksten Absicht im Gewahrsein auftreten. Die Bewegungen der Aufmerksamkeit beobachtet man anschließend mit dem metakognitiven introspektiven Gewahrsein.

Folgt man den Bewegungen der Aufmerksamkeit so Schritt für Schritt, erlebt man den Geist selbst als fortlaufenden Prozess. Das stärkt nicht nur das Gewahrsein, sondern hilft auch bei der Achtsamkeit im Alltag. (hier agiert die Aufmerksamkeit analog)

Meditation über das abhängige Entstehen

Eine Übung, die sich dem verbesserten metakognitiven Gewahrsein bedient und gleichzeitig zu seiner weiteren Stärkung beiträgt, ist die Meditation über das abhängige Entstehen. Durch ein erhöhtes metakognitives Gewahrsein wird der kausale Zusammenhang zwischen sensorischen und geistigen Ereignissen klarer. Ziel der Meditation ist es daher, Schritt für Schritt geistige Ereignisse zu begleiten und die kausalen Zusammenhänge zwischen diesen geistigen Ereignissen zu erkennen.

Der Entstehungsprozess von geistigen Ereignissen wird in der buddhistischen Literatur wie folgt beschrieben:

  1. Zunächst erfolgt das Bewusstsein einer Empfindung oder eines Gedankens (Kontakt)
  2. basierend auf dem Kontakt folgt eine gefühlsbedingte Reaktion (Gefühl)
  3. das Gefühl führt zu Begehren oder Ablehnung (Verlangen)
  4. das Verlangen wiederum führt zu einer Absicht zu handeln (Werden)
  5. was im letzten Schritt zur Handlung selbst führt (Geburt)

Der Schwerpunkt der Übung liegt auf den Verknüpfungen der verschiedenen geistigen Ereignisse –  die Inhalte der Gedanken oder Empfindungen sind in diesem Zuge Culadasa zufolge weitgehend unwichtig.

Erwächst aus dieser Übung ein größeres Verständnis der Assoziationsketten, kann das auch im Alltagsleben von großem Nutzen sein: Man handelt im besten Falle weniger aus Verlangen und Impulsen heraus, sondern eher aus Weisheit.

Den Geist vereinen, die Sinne befrieden und das Aufkommen meditativer Freude

Das zweite Ziel der achten Stufe ist das vollständige Befrieden der Sinne. Dieses vollzieht sich analog der Befriedung des unterscheidenden Geistes, die auf Stufe sieben verwirklicht wurde.

Bei der Befriedung der Sinne vereinen sich die unbewussten Untergruppen des sensorischen Geistes um die bewusste Absicht, ausschließliche Aufmerksamkeit beizubehalten. Mit dem Prozess gehen dabei gerade zu Anfang vom Geist erzeugte, ablenkende sensorische Phänomene einher (Vgl. Sechstes Zwischenspiel). Je mehr man diese ignoriert, desto weniger kommen diese auf. Schließlich kommt es zur körperlichen Geschmeidigkeit und zur Glückseligkeit der körperlichen Geschmeidigkeit. In diesem Zustand funktionieren die Sinne nach wie vor, agieren aber anders: besondere Empfindungen (wichtige, starke) werden ins Bewusstsein gelassen, alle anderen kommen nicht ins Bewusstsein.

Mit zunehmender Vereinigung des Geistes entsteht zudem automatisch meditative Freude. Diese scheint der vorgegebene Zustand eines geeinten Geistes zu sein. Meditative Freude unterscheidet sich deutlich von der „gewöhnlichen“ Freude. Bei der gewöhnlichen Freude gibt es in der Regel einen unmittelbaren Auslöser für die Freude. Dieser beinhaltet die Aussicht auf die Erfüllung irgendeines weltlichen Wunsches, was zur Folge hat, dass die Geist-Untergruppen sich zeitweilig um den Wunsch vereinen. Meditative Freude entsteht hingegen durch das Lösen innerer Konflikte der Geist-Untergruppen. Die Geist-Untergruppen vereinen sich und das führt zu spontanen Glücksgefühlen.

Bevor meditative Freude sich voll entwickelt hat, kommt es zu verschiedenen Energieströmen, die unangenehm und turbulent sein können. Diese Energie war bereits vorher im Geist vorhanden, wurde aber durch innere, oft unbewusste Konflikte der Untergruppen zum Großteil aufgezehrt. Durch die Vereinigung der Geist-Untergruppen wird diese Energie nun kanalisiert und freigesetzt.

Die dabei entstehende Unruhe kann zu einer starken Ablenkung werden, die sich bis zur Stufe neun noch fortsetzt.

Übungspraktiken zum Erlangen körperlicher Geschmeidigkeit und meditativer Freude

Die auf dieser Stufe bisher praktizierten Übungen (siehe: „Den neuen gefügigen Geist trainieren„) gilt es auszusetzen, sobald man Manifestationen körperlicher Geschmeidigkeit spürt. Diese können umfassen, dass gewöhnliche taktile Empfindungen verschwinden, dass man sich schwerelos fühlt oder im ganzen Körper angenehme Empfindungen wahrnimmt. Man befindet sich nun auf der Zielgeraden der Stufe und das Erlangen der körperlichen Geschmeidigkeit und damit einhergehend der meditativen Freude steht unmittelbar bevor.

Die Hauptpriorität liegt nun auf dem Ignorieren von Körperempfindungen jedweder Art. Dazu stellt Culadasa zwei Übungspraktiken vor.

Den Punkt der Stille finden und den Zeugen erkennen

Bei dieser Meditationsübung geht es im Großen und Ganzen darum, ausgewählte Objekte mit der Aufmerksamkeit zu untersuchen, diese ins Gewahrsein übergehen zu lassen und dann anschließend mit neuen Objekten der Aufmerksamkeit zu vergleichen. Im Konkreten lässt sich die Meditation in folgenden Schritte unterteilen:

Aktivitäten der Umwelt vs. Stille des Körpers

Die Meditationsübung beginnt mit der Wahrnehmung der Umwelt. Man öffnet sich für Geräusche innerhalb und außerhalb des Raums, lässt den Geist diese Geräusche identifizieren und ihren Ursprung ergänzen. Zusätzlich visualisiert man alle Aktivitäten, die auf der Welt vonstattengehen. Diese Bilder hält man klar im Gewahrsein, während man anschließend die Aufmerksamkeit auf den Körper lenkt, der ruhig und still auf dem Kissen sitzt.

Den Kontrast zwischen Aktivitäten um einen herum und dem eigenen stillen Körper lässt man vollständig auf das Bewusstsein wirken.

Aktivitäten des Körpers vs. Stille des Geistes

Während man in der Stille des Körpers und den Aktivitäten der Umwelt verweilt, wird man nach und nach automatisch auch Aktivitäten im Körper wahrnehmen: Den Atem, den Herzschlag, den Puls. Diese Aktivitäten fügt man den restlichen Aktivitäten im Gewahrsein hinzu und lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Stille des Geistes.

Anschließend nimmt man den Kontrast zwischen innerer Stille des Geistes und allen Aktivitäten im Körper und um einen herum wahr und verweilt bei diesem.

Stille des Geistes vs. Punkt der Stille

Verweilt man in dieser Weise, wird man schließlich erkennen, dass der Geist nicht so ruhig ist, wie initial beobachtet. Diese Erkenntnis geht damit einher, dass man im Kern der Erfahrung eine noch größere Stille findet: Diese Stille wird als „Punkt der Stille“ bezeichnet.

Analog zu den Schritten zuvor, geht es nun darum, die Aufmerksamkeit auf den Punkt der Stille zu lenken, während man alles andere ins Gewahrsein entlässt. Bleibt die Aufmerksamkeit auf den Punkt der Stille gerichtet, wächst langsam die Erkenntnis, dass hier alle Beobachtung geschieht; Culadasa bezeichnet den Punkt der Stille als „Aussichtspunkt“ des metakognitiven Gewahrseins und der metakognitiven Aufmerksamkeit.

Erkennen des Zeugen

Setzt man die Beobachtung fort, kann man im Weiteren ggf. den sogenannten Zeugen erkennen. Bei diesem Zeugen handelt es sich um die subjektive Erfahrung eines reinen, unbeweglichen, unbewegten Beobachters.

An dieser Stelle sollte man seine Übung unbedingt fortsetzen, da der Zeuge laut Culadasa sonst mit einem „wahren Selbst“ verwechselt werden könnte. Es gilt daher, den Zeugen näher zu untersuchen und zu fragen:

  • Wer oder was ist der Zeuge?
  • Wer beobachtet?
  • Wer macht die Erfahrung?

Während man diese Fragen stellt, sollte man die Erfahrung des Zeugen fortsetzen und aufkommende intellektuelle Antworten und emotional irreführende Empfindungen („Ich habe die Antwort gefunden!“) entschieden ablehnen. Praktiziert man in dieser Weise weiter, kann es zu einer tiefgreifenden Einsicht in das Nicht-Selbst kommen.

Auch hier betont Culadasa erneut, dass man die Praxis nicht danach beurteilen sollte, ob man den Zeugen entdeckt hat und eine Einsicht hatte. Vielmehr ist diese Meditation auch ohne diese Aspekte ein gutes Instrument, um das Ziel der körperlichen Geschmeidigkeit und meditativen Freude zu erlangen.

Die lichthaften Jhanas

Als zweite Übung stellt Culadasa erneut eine Übung mit den Jhanas vor. Bei dieser Jhana Übung ist das Meditationsobjekt das Phänomen der inneren Lichterscheinungen, das bei Befrieden des visuellen Geistes auftritt. (Vgl. Ungewöhnliche Empfindungen, sechstes Zwischenspiel) Da das Meditationsobjekt nicht allen Meditierenden erscheint, können die Übung nicht alle Meditierenden machen. Dies sei aber nicht weiter schlimm, da diese Übung für das Verwirklichen von Stufe acht keine Notwendigkeit darstelle.

Wenn die innere Lichterscheinung (=Nimitta) in der Meditation erscheint, sollte man diese zunächst in Ruhe lassen und seine Aufmerksamkeit auf den Atemempfindungen lassen. Nach und nach kann man schließlich seine Aufmerksamkeit zum Nimitta wechseln lassen, solange, bis sich das Nimitta stabilisiert. Sollten sich Nimitta und Atem verschmelzen, kann man anfangen mit dem Nimitta zu arbeiten:

Dazu lässt man das Nimitta in den Hintergrund treten, dann bringt man es wieder nahe heran, bewegt es auf und ab und seitlich hin und her. Schafft man es, in dieser Weise mit dem Nimitta zu arbeiten, kann man die Aufmerksamkeit komplett auf das Nimitta richten.

Um nun in das Jhana einzutreten, gilt es zum vollkommen passiven Beobachter zu werden. Es ist nichts zu tun, stattdessen ergibt man sich einfach dem Moment und hält dabei Aufmerksamkeit und Gewahrsein scharf. Das Eintreten in das Jhana wurde Culadasa zufolge mit dem Eintauchen in ein warmes Bad verglichen. Das Jhana führt zur Glückseligkeit körperlicher Geschmeidigkeit, intensiver meditativer Freude und einer tiefen Stille. Das Nimitta wird so klar und genau wahrgenommen wie noch nie. Anfangs ist das Jhana instabil, je mehr man jedoch die Praxis wiederholt, desto stabiler wird es.

Stufe neun: geistige und körperliche Geschmeidigkeit – intensive meditative Freude abmildern

neunte Stufe vom Buch Meditation

Nach Beenden von Stufe acht ist in der Meditation die vollständige Befriedung der Sinne und die vollständig entwickelte meditative Freude vorhanden. Nahezu jede Meditationssitzung geht entsprechend mit der Glückseligkeit körperlicher und geistiger Geschmeidigkeit einher. Diese beidseitige Glückseligkeit wird auch als Grad-fünf-Piti bezeichnet.

Die auftretende meditative Freude führt jedoch zu Beginn von Stufe neun noch zu starken Energieströmen, die regelmäßig dazu führen, dass die Erfahrung der meditativen Freude unterbrochen wird. Ziel auf dieser Stufe ist daher, die meditative Freude voll zu entwickeln, sodass die Intensität der Energieströme nachlässt.

Piti beruhigen und die Freude zur Reife bringen

Damit sich die Unruhe in der Meditation legt, gilt es, den Höhepunkt der Intensität des Piti auszuhalten. Nach dem Höhepunkt ebbt die Intensität ab und wird durch Gestilltheit und Ruhe ersetzt, was wiederum zu Gleichmut führt.

Anfangs ist es Culadasa zufolge sehr schwierig, die Energieempfindungen lange durchzuhalten. Die neuen körperlichen Empfindungen sind interessant und angenehm, sodass die Aufmerksamkeit natürlicherweise immer wieder abschweift. In dieser Phase ist es daher von entscheidender Bedeutung, entschlossen zu bleiben und beharrlich zu praktizieren. Es ist immer wieder bewusst die Absicht zu fassen, die ablenkenden Energiewallungen im Gewahrsein zu lassen und diese mit der Aufmerksamkeit zu ignorieren.

Verliert man den Zustand des Piti, fängt man einfach wieder von vorne an und versucht es wieder so lange zu halten wie möglich. Mit zunehmender Übung ebbt die Glückseligkeit der körperlichen Geschmeidigkeit ab und geht in den Hintergrund, während die Glückseligkeit der geistigen Geschmeidigkeit durch heiter-gelassenes Glück und Ruhe ersetzt wird.

Um den Fortschritt zu beschleunigen, verweist Culadasa auf weitere Praxisübungen: So sei das Üben mit höheren lichthaften Jhanas (im Anhang des Buches beschrieben) sehr förderlich, ebenso wie die Meditation über das abhängige Entstehen, den Punkt der Stille finden und den Zeugen erkennen. Zu guter Letzt stellt Culadasa eine neue Übung vor: das Meditieren über den Geist.  

Meditieren über den Geist

Bei der Meditation über den Geist wird die Aufmerksamkeit und das Gewahrsein miteinander verschmolzen. Dazu wird der Bereich der Aufmerksamkeit erweitert, bis er alles im Feld des bewussten Gewahrseins (extraspektiv und introspektiv) einbezieht, ähnlich der Ganzkörperwahrnehmung.

Ausgangspunkt der Übung ist entweder der Punkt der Stille oder ein ausschließlich auf den Atem gerichteter Fokus einhergehend mit einem starken metakognitiven Gewahrsein. Im Folgenden geht es darum, Schritt für Schritt den Aufmerksamkeitsbereich zu erweitern bis er schließlich alles im (metakognitiven) Gewahrsein umfasst. Schließlich ist das Meditationsobjekt der Geist selbst und der Unterschied zwischen Aufmerksamkeit und Gewahrsein verschwindet.

Das Ergebnis der Übung ist, dass sowohl die holistische Qualität des Gewahrseins als auch die analytische Präzision der Aufmerksamkeit gleichzeitig vorhanden sind. Damit lassen sich nun einzelne Objekte und ihre Beziehung zum gesamten Feld zur gleichen Zeit beobachten und untersuchen. Geht man in dieser Weise vor, kristallisieren sich nach und nach zwei unterschiedliche Bewusstseinszustände heraus:

  • In dem einen Bewusstseinszustand ist der Geist aktiv und Empfindungen und geistige Objekte werden ins Feld des Gewahrseins projiziert.
  • In dem anderen herrscht ein Zustand relativer Ruhe vor: Das Feld des bewussten Gewahrseins ist still und leer.

Ziel der Übung ist es nun, beide Bewusstseinszustände miteinander zu vergleichen. Das kann unter anderem zu Einsichten zur Natur des Geistes führen. Diese umfassen, dass einem bewusst wird, dass letztlich alle Objekte des Geistes Konstrukte des Geistes selbst sind. Culadasa drückt es wie folgt aus:

„Das Ding an sich, das den Geist dazu angeregt hat, das Objekt zu produzieren, kann nie beobachtet werden. Der Geist erschafft seine eigene Realität, die zur Gänze aus kognitiv-emotionalen Konstrukten aufgebaut ist.“  

Noch wichtiger jedoch führt die Übung zum Aufkommen von Ruhe/Gestilltsein und Gleichmut. Die Intensität von Piti lässt nach, da die Energie nun kanalisiert ist und ruhig und ausgeglichen fließt. Diese Ruhe und Ausgeglichenheit führen zu zunehmender Glückseligkeit. Eine zunehmende Glückseligkeit führt wiederum zu Gleichmut, was bedeutet, auf Angenehmes und Leidvolles nicht zu reagieren.

Der Grund dafür ist einfach: dadurch, dass der Geist sich bereits in einem vollkommen glücklichen und zufriedenen Zustand befindet, besteht für den Geist auch kein Grund mehr, irgendetwas nachzujagen oder zu verlangen.

Die Stufe neun ist insgesamt gemeistert, wenn durchgehend stabile Aufmerksamkeit und Achtsamkeit erlangt werden kann, begleitet von Freude und Gestilltheit/Ruhe. Gleichmut ist ebenfalls vorhanden, entwickelt sich auf der zehnten Stufe jedoch noch weiter. Die Faktoren für Shamatha (siehe: sechstes Zwischenspiel) liegen nun vor, verschwinden jedoch wieder, wenn man seine Meditation beendet hat.

Stufe zehn: Gestilltheit/Ruhe und Gleichmut

zehnte Stufe vom Buch Meditation

Das Ziel von Stufe zehn ist Shamatha zwischen den Meditationssitzungen aufrechtzuerhalten und so den Unterschied zwischen Meditation und Nicht-Meditation verschwinden zu lassen. Um dies zu erreichen, gilt es die bisher kennengelernten Methoden einfach konsequent weiter zu praktizieren.

Eine wichtige Bedingung dafür, dass sich Shamatha auch nach der Meditation fortsetzen kann, ist Gleichmut aufrechtzuerhalten. Das gelingt umso leichter, je stärker der Gleichmut in der Meditation ausgeprägt war. Unterstützend wirkt hier auch die Freude in der Meditation: Diese wirkt nach der Meditation häufig nach und bewirkt dadurch, dass Gleichmut auch nach der Meditation noch aufrechterhalten werden kann.

Durch das konsequente Weiterverfolgen der Methoden in der Meditation lässt sich das Ziel ein Stück weit verwirklichen. An einem gewissen Punkt kommt man jedoch nicht umhin, auch im Alltag verstärkt auf Achtsamkeit zu achten. Im Konkreten betont Culadasa, vor allem auf das Aufkommen von Begehren und Ablehnung zu achten. Sobald das geschieht, gilt es diese Zustände nicht abzulehnen oder zu unterdrücken, sondern einfach zu ignorieren. Die Aufmerksamkeit ist dann stattdessen auf innere Freude und Glücksgefühle zu richten. Schafft man es in dieser Weise zu verfahren und Freude und Gleichmut aufrechtzuerhalten, bleibt der Geist geeint und Shamatha bestehen.  

Stufe zehn ist Culadasa zufolge verwirklicht, wenn Shamatha von einer Meditationssitzung zur nächsten anhält.

Shamatha und Vipassana

Zum Schluss des Buches geht Culadasa noch einmal auf die Bedeutung von Shamatha und Vipassana ein. Während Shamatha als besonderer Geisteszustand beschrieben wurde, der sich durch die fünf thematisierten Merkmale stabile Aufmerksamkeit, starke Achtsamkeit, Freude, Gestilltheit, Ruhe und Gleichmut auszeichnet, handelt es sich bei Vipassana um die höchste Einsicht in die Natur der Wirklichkeit, die zum Erwachen führt. Dazu sind fünf sich gegenseitig bedingende Einsichten notwendig: Unbeständigkeit, Leerheit, wechselseitige Abhängigkeit, Natur des Leidens, Ich als Illusion. (siehe: Einsichtserfahrungen und das Erlangen der höchsten Einsicht) Auch wenn (konstantes) Shamatha als Ziel der zehnten Stufe ausgegeben wurde, handelt es sich nicht um das endgültige Ziel. Dieses besteht im Erwachen und folglich in Vipassana.

Culadasa betont, dass in dem Buch zum allergrößten Teil der Fokus auf das Erlangen von Shamatha gelegt wurde, da Shamatha den Geist ideal für die Einsicht (Vipassana) vorbereitet. Praktiziert man mit Shamatha konsequent weiter, folgt unweigerlich eine tiefgreifende Einsicht, die zu einer kompletten, fortwährenden Vereinigung des Geistes führt: Vipassana ist erreicht.

info iconAnmerkung: Culadasa beschreibt Vipassana in diesem Zusammenhang anders, als der Begriff häufig verwendet wird. Culadasa unterscheidet Shamatha und Vipassana nicht anhand der verwendeten Mittel, sondern anhand der jeweils gesetzten Ziele. Bei Shamatha geht es um einen besonderen Geistzustand, bei Vipassana um Einsicht. Dabei vernachlässigt Culadasa meines Erachtens nach jedoch, dass auch für das Ziel von Vipassana abseits von Shamatha ein Übungsweg vorhanden ist und sich so Vipassana gezielt herbeiführen lässt. Dieser Weg wird von Buddha im satipatthana sutta beschrieben.

Hinweis zu –  Handbuch Meditation: Dieser Artikel ist Teil der Artikelserie „Buchrezension: Handbuch Meditation„.

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