Zum Buch

Autor

Culadasa John Yates
übersetzt von: Susanne Kahn-Ackermann

Genre

Sachbuch

Level

für Fortgeschrittene

Einleitung

Das Buch „Handbuch Meditation“ von Culadasa kam für mich gerade zur rechten Zeit: Ich meditierte seit einiger Zeit wieder täglich und auch wenn die Meditation sich auf einem gewissen Niveau stabilisiert hatte, gab es doch gehörige Schwankungen. Gefühlt steckte ich fest und mit der Zeit wuchsen die Zweifel: Mache ich das überhaupt richtig? Gehören die Erfahrungen, die ich mache, zum Prozess oder haben diese in der Meditation eigentlich nichts zu suchen? Muss ich mich noch stärker auf den Atem oder auf die Umgebung konzentrieren?

All diese Themen ploppten mit zunehmender Zeit verstärkt auf und das, was früher einfach und klar erschien, war mittlerweile wieder verwoben und unscharf. Zahlreiche Meditationsanleitungen und Meditationsbücher vermochten nicht, Klarheit zu verschaffen – bis auf eines: das „Handbuch Meditation“ von Culadasa.

Bereits in der Einleitung beschreibt Culadasa das Problem zur Meditationsliteratur:

„Zwar wurde schon viel über die mannigfaltigen Vorteile der Meditation und ihre positiven Auswirkungen auf das emotionale, psychische und soziale Wohlbefinden geschrieben, doch darüber, wie der Geist funktioniert und wie man ihn schult, lässt sich überraschend wenig Information finden.“
Culadasa, S.9

„Dieses Buch ist unter anderem deswegen entstanden, weil ich herausfand, dass nur wenige Langzeitpraktizierende jemals einen der höheren Meditationszustände, geschweige denn die tiefreichenden Erkenntnisse und Verwirklichungen erfahren haben, die die Meditationspraxis anzubieten hat.“
Culadasa, S.13

Das trifft den Nagel ziemlich gut auf den Kopf und spiegelt meinem Gefühl nach meine eigene Situation ziemlich gut wider. Denn ab einem bestimmten Punkt reichten bei mir die klassischen Anweisungen „Achte auf den Atem, kommt ein Gedanke, lass ihn los und kehre zum Atem zurück“ nicht aus und führten sogar zu Verwirrung.

Denn der Atem ist nicht gleich der Atem. Vielmehr verändert sich die Empfindung des Atems, mal ist der Atem klarer, mal befindet er sich im Hintergrund, mal ist gleichzeitig ein Gedanke im Trüben des Bewusstseins zu erkennen, mal ist das Entstehen von Empfindungen in unterschiedlicher Form und Ausprägung zu erkennen.

Culadasa bringt in all diese Erfahrungen Licht hinein, erläutert die Hintergründe und zeigt einen klaren Plan auf, an welchen Stellen in der Meditation jeweils angesetzt werden sollte, um die Meditationspraxis gezielt voranzutreiben. Das Buch ist dabei durchaus technisch und ist mit über 400 Seiten sicher kein Werk für Anfänger. Für alle, die jedoch bereits regelmäßig meditieren und ihre Praxis gezielt vorantreiben und verbessern wollen, ist das Buch eine Goldgrube.

 

info iconAnmerkung: Dieser Artikel soll einen kurzen Einblick und Einschätzung zu dem Buch geben. Für alle Leser, die sich auch inhaltlich tiefergehend mit dem Buch befassen wollen, bietet sich die fünfteilige, nach und nach erscheinende inhaltliche Zusammenfassung dieses Werkes an. (ebenfalls im Inhaltsverzeichnis verlinkt)

Inhaltlicher Überblick

Culadasa ist ein seit vier Jahrzehnten praktizierender Buddhist und Professor für Neurowissenschaften. Den Anspruch, den Culadasa an das Buch stellt und selbst formuliert, ist es, einen umfassenden Meditationsleitfaden bereitzustellen, der buddhistische Lehren unterschiedlicher Traditionen, Erfahrungen vieler Meditierender und die Wissenschaft sinnvoll miteinander kombiniert. Das Ergebnis ist ein systematisch aufgebautes Buch, das den Meditierenden Schritt für Schritt durch den Meditationsprozess leitet.

Zum Meditationsprozess

Das Ziel des Meditationsprozesses gibt Culadasa als das „Erwachen“ aus. Das Erwachen beschreibt er als einen grundsätzlich anderen Geisteszustand, der zu tiefgreifenden Einsichten in die eigene Seinsweise führen soll.

Den Meditationsprozess unterteilt Culadasa in Meditationsstufen, Meilensteine und Zwischenspiele. Die zehn Meditationsstufen bilden den Rahmen und den Fahrplan des Werkes. Arbeitet man Meditationsstufe für Meditationsstufe durch, erreicht man nach und nach verschiedene Meilensteine. Die vier Meilensteine kennzeichnen neue Niveaus in der Meditation.

In den Zwischenspielen, die einigen Meditationsstufen vorgeschoben sind, werden Grundlagen und Konzepte erläutert, die für das Verständnis der darauffolgenden Meditationsstufe notwendig sind.

Zu Aufmerksamkeit und Achtsamkeit

Wenn das „Erwachen“ das Ziel des Stufenwegs ist, sind vollständig entwickelte Aufmerksamkeit und Achtsamkeit die Mittel zum Erreichen dieses Ziels.

Aufmerksamkeit bezieht sich auf das Fokussieren auf ein Objekt. Achtsamkeit definiert Culadasa als optimale Interaktion zwischen Aufmerksamkeit und peripherem Gewahrsein. Letzteres bezieht sich auf alles, was wir außerhalb des Fokus der Aufmerksamkeit noch wahrnehmen. (vergleichbar ist das Ganze mit visuellem Fokussieren und peripherem Sehen)

Es geht also darum, mit voller Aufmerksamkeit etwas zu beobachten und gleichzeitig Wahrnehmungen außerhalb des beobachteten Objekts aufrechtzuerhalten.

Die von Culadasa beschriebenen Stufen sollen die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit schrittweise entwickeln.

Zu den zehn Stufen

Ausgangspunkt auf Stufe eins sind absolute Grundlagen: Es geht zunächst darum, wie man sich für die Meditation motivieren kann, wie man sich eine regelmäßige Meditationspraxis aufbaut und wie man sich auf die Meditation vorbereiten kann. Dann geht man auf das Meditationsobjekt über: Die Atemempfindungen an der Nasenspitze.

Die simple Anweisung besteht darin, die Aufmerksamkeit auf dem Meditationsobjekt ausgerichtet zu lassen und gleichzeitig das Gewahrsein aufrechtzuerhalten. Das, was simpel anmutet, führt schnell zu großen Problemen: Die Meditation ist von geistigem Abschweifen und dem Vergessen der eigentlichen Tätigkeit (=dem Meditieren) geprägt. Der Grund: Es herrschen vielfältige Ablenkungen vor, die von Stufe zu Stufe immer subtiler werden. Doch nicht nur Ablenkungen sind ein Problem: Auch die geistige Klarheit gilt es zu trainieren und Stufe für Stufe die Wahrnehmung des Meditationsobjekts zu schärfen.

Von Stufe 2-6 werden Probleme dieser Art Stufe für Stufe behandelt und mit Techniken, die sich entweder auf die Aufmerksamkeit oder das Gewahrsein beziehen, gelöst.

Mit Beenden von Stufe 6 ist schließlich die Schulung der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit abgeschlossen. Auf den Stufen 7- 10 werden die geschulte Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gezielt eingesetzt, um den eigenen Geist zu untersuchen und so Schritt für Schritt zu transformieren. Der Transformationsprozess wird von verschiedenen Phänomenen begleitet, die eine unterschiedliche Bedeutung im Meditationsweg haben.

Auf Stufe 10 wird schließlich ein Geistzustand erreicht, mit dem tiefgreifende Einsicht und Erwachen möglich sind. 

Zusammengefasst lässt sich das Buch grob in zwei Hälften teilen:

Während es zunächst auf Stufe 1-6 um den Auf- und Ausbau der grundsätzlichen Meditationsfähigkeiten (Aufmerksamkeit und Achtsamkeit) geht, geht es von Stufe 7-10 um das eigentliche Ziel der Meditation: Die Transformation des Geistes, die in der Endstufe zum „Erwachen“ führt.

Persönliche Einschätzung

Das „Handbuch Meditation“ hatte es mir bereits beim Durchlesen des Klapptextes angetan: Eine Wegekarte, die durch den Dschungel der Meditation führen und Schritt für Schritt den Geist schulen soll – das klang nicht nur schön, sondern war genau das, was ich in meiner Situation brauchte.

Und das Buch sollte nicht enttäuschen: Das Buch weist nicht nur jene Wegekarte auf, sondern ist durch und durch gut strukturiert und gut lesbar. Auf jeder Stufe wird ausführlich erklärt, was zu tun ist, worauf zu achten ist und wie die Meditation am Anfang und am Ende der Stufe beschaffen sein sollte. Um das Ganze übersichtlicher zu gestalten, sind zahlreiche erklärende Grafiken und Schaubilder eingefügt, die die teils abstrakte Materie deutlich verständlicher machen.

Mir persönlich hat das Buch wahnsinnig gutgetan: Viele der beschriebenen Erfahrungen hatte ich auch bereits gemacht, ohne diese zu verstehen. Das Buch half mir diese Erfahrungen einzuordnen und die Qualität der eigenen Meditation einzuschätzen. Ich wusste nun zum ersten Mal wirklich, worauf ich verstärkt achten musste und wie ich meine Meditationspraxis gezielt verbessern kann. Überdies machte es Mut und schaffte Selbstbewusstsein – ich realisierte, dass meine Meditation gar nicht so verkehrt sein kann, wenn vieles von meinen Erfahrungen sich mit den Erfahrungen in dem Buch deckte.

Auch von wissenschaftlicher Seite sind die ausgeführten Informationen durchaus spannend und haben mich gerade in Hinblick auf das von Culadasa beschriebene „Geistsystem Modell“ stark an die Modularität des Geistes erinnert, die in der Psychologie eine gängige Theorie zum Beschreiben unseres Bewusstseins darstellt.

Doch abseits all des Lobes gibt es auch vereinzelte Schwächen: Die ein oder andere Passage ist ziemlich langatmig, einiges wiederholt sich und gerade die letzten Zwischenspiele sind nicht so gut strukturiert und verständlich wie die Kapitel zuvor. Auch die letzten Stufen sind von ihrem Umfang her deutlich geringer als die Stufen zuvor und erwecken den Eindruck, dass der Autor etwas die Lust verloren hat, das Werk auf dem anfänglich sehr hohen Niveau zu halten.

Auch die Einordnung von Vipassana empfinde ich als nicht ausreichend. Vipassana wird in dem Buch ausschließlich als Einsicht beschrieben; dass sich hinter Vipassana ein gesonderter Übungsweg verbirgt, der explizit auf Einsichtserfahrungen ausgerichtet ist, kommt hier zu kurz.

All das ist aber verschmerzbar und Meckern auf allerhöchstem Niveau. In Summe ist Culadasa ein mehr als ansprechendes Werk gelungen, dass meiner Überzeugung nach die Meditationspraxis eines jeden ernsthaft Meditierenden signifkant verbessern kann.

Wertung

(entgegen aller Weisheit in Fernost, das Urteilen zu lassen…)

P

eines der besten Meditationsbücher überhaupt

P

sehr gut strukturiert

P

gut zu lesen, verständliche Formulierungen

P

hilfreich für jeden ernsthaft Meditierenden

P

wenig buddhistischer Unterbau, dadurch auch für Nicht-Buddhisten interessant

O

letzte Zwischenspiele und Stufen nicht so sorgfältig ausgearbeitet wie zuvor

O

Einordnung Vipassana ist nicht ausreichend

Link zu dem Buch: Handbuch Meditation *
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