uhr_als_dauer

Dauer

7 Tage
(9 Tage mit An- und Abreise)

eurosymbol

Kosten

€442
+ freiwillige Spende als Lehrerhonorar (Dana)

Level

für Anfänger geeignet

Einleitung

Ich weiß nicht, woran es liegt:

Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist es Vorhersehung.

Jedenfalls ist das nun das zweite Vipassana-Retreat in Folge, das für mich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kam:

Ich hatte viel zu tun, war aktuell nicht wirklich zufrieden und hatte nicht so wirklich Lust auf das, was anstand.

Denkbar schlechte Vorzeichen also.

Zusätzlich war ich skeptisch. Das Seminar wurde auf der Internetseite kaum beschrieben, im Mittelpunkt stand die Aussage:

Kein Weg, kein Ziel, grenzenlose Weite.

Im Vergleich zu den von mir zuvor besuchten unterschiedlichen Vipassana Seminaren und allem, was ich über Vipassana gelesen hatte – ein Widerspruch.

Am Ende ergab aber alles nicht nur Sinn, sondern tat mir in Summe auch ziemlich gut.

Ein, zwei Wermutstropfen gibt es aber doch…

Überblick

Das Vipassana Retreat wurde von Wolfgang Seifert geleitet. Seifert leitet bereits seit mehreren Jahrzehnten Vipassana Kurse an und hat seine Schulung unter anderem in Burma, Thailand und Sri Lanka erhalten.

Das Seminar fand im Haus der Stille statt, einem buddhistischen Meditationszentrum, 50 km von Hamburg entfernt. 

Was mich bereits zur Anmeldung stutzig machte: Statt den üblichen 10 Tagen war das Retreat auf 7 Tage angesetzt (+ jeweils 1 Anreisetag und 1 Abreisetag, in Summe also 9 Tage). Das Programm hatte es dennoch in sich:

Tagesablauf

05:00 – 07:50Meditation
08:00 – 08:30Frühstück
08:30 – 09:30Arbeiten
09:45 – 11:50Meditation, Yoga, Meditation
12:00 – 15:00Mittag, Pause
15:00 – 17:50Meditation, Meditation, Fragen
18:00 – 19:45Abendessen, Pause
19:45 – 21:30Meditation, Mantra, Vortrag

Wie üblich wurde das Seminar im Schweigen abgehalten – eine Vorgabe, die aus verschiedenen Gründen jedoch nur mäßig von den Teilnehmern eingehalten wurde.

Ansonsten fiel das Seminar durch einen sehr hohen Praxisfokus, wenig Anweisung und Theorie, sinnvollen Arbeitseinheiten und überraschend wohltuenden Yoga-Sitzungen auf.

Im Folgenden ein kurzer Überblick zu den genannten Punkten.

Praxis im Mittelpunkt

Jeder der mich kennt, weiß sicher, dass ich irgendwo ein kleiner Theoriefetischist bin. Das ist an vielen Stellen hilfreich, gerade in der Meditation ist es jedoch wichtig, eine gute Balance zwischen Praxis und Theorie zu finden.

Im Vipassana Seminar von Wolfgang Seifert stand ausschließlich die Praxis im Vordergrund.

Schwierigkeiten mit der Anweisung

Was bedeutet das?

Es fing mit der Anweisung für die grundlegende Praxis vor der ersten Meditationssitzung an. Die Anweisung dauerte in etwa 5 min. und sollte die Anleitung für die kommenden Tage bilden.

Bei mir stiftete die Anweisung jedoch erst einmal etwas Verwirrung. Sollte ich nur mit offenem Gewahrsein dasitzen und zur Not auf die Atemkonzentration zurückgreifen oder wie war das Ganze gemeint?

In meinem direkt am ersten Tag stattfindenden Einzelgespräch konnte ich meine Verwirrung klären, offenbar war ich jedoch nicht der Einzige, der die Anweisung potenziell falsch verstanden hatte. Zwei Tage später kam die genau gleiche Frage in offener Fragerunde und die fragende Person hatte die Anweisung wohl genauso falsch verstanden wie ich.

Was war genau zu tun?

Im Endeffekt ging es um Folgendes:

  1. Auf den Atem achten.
  2. Gedanken, die auftreten, erkennen:
    • Sind es oberflächliche Gedanken?
    • Sind es tiefergehende Gedanken und Gefühle?

Je nach aufgetretenen Gedanken ist unterschiedlich mit diesen umzugehen.

  • oberflächliche Gedanken: Wieder dem Atem zuwenden.
  • tiefergehende Gedanken und Gefühle: nicht reagieren, nicht bewerten, sondern diese einfach zulassen und aushalten.

Die Praxis konnte zur Folge haben, dass von dem Unterbewusstsein vergrabene Erinnerungen, Einsichten oder Gefühle zu Tage gefördert werden, die mit dem nichtreaktiven Umgang verarbeitet werden und zur spirituellen Entwicklung beitragen.

Vipassana in Zen-Form

Neben der relativ kurzen Anweisung waren auch die Vorträge minimalistisch gehalten. Auf die Theorie des Vipassana bspw. in Form des Satipatthana Sutta wurde gar nicht eingegangen, stattdessen wurde der Inhalt runtergebrochen auf folgende zwei Wörter:

Sei still.

Erkenntnisse der Stille

In der Stille der Meditation könnten die Erkenntnisse wachsen, dass sich alles in einem ständigen Fluss und in einer ständigen Verwandlung (anicca) befindet. Man selbst ist nur Teil dieser Verwandlung und hat selbst kaum oder keinen Einfluss auf die Dinge (Bedingtes Entstehen).

Die eigene Biografie und die vermeintlich eigene Leistung sind in diesem Sinne überbewertet:

Was ist schon der eigene aktive Beitrag zur Atmung, Verdauung oder dem eigenen Nachwuchs?

Ständige Verwandlung

Im Kern der Verwandlung stehe das allumfassende Bewusstsein, die Essenz.

Das Eine ohne ein Zweites

Dieses gilt es zu erkennen – einzig allein über die Praxis.

Angereichert wurde die Theorie immer wieder durch Geschichten und Beispiele, die die genannten „Wahrheiten“ verdeutlichen sollten. Neben spannenden Erzählungen oder Biografien streute Wolfgang Seifert auch immer wieder kleine Zen-Anekdoten hinein.

Tatsächlich waren Theorie und Praxis des Seminars merklich von Zen geprägt. Auch im Zen steht die Anweisung „nur Sitzen“ im Vordergrund. Laut Zen regen Erklärungen nur das Denken an und verhüllen so den Blick auf das Wesentliche.

Nur über die Stille und die Tiefe komme man an die Essenz der Dinge.

Auch wenn dieser Weg der Praxis sicherlich nicht mein Favorit ist (ich bin wie gesagt ein kleiner Theoriefetischist), hat er mir doch sehr gut getan. Und den Kern des Vipassana hat das Seminar trotz allem ziemlich gut getroffen: die Achtsamkeit.

Achtsamkeit in Reinform

Achtsamkeit beinhaltet den nichtreaktiven Umgang und das Zulassen aller auftretenden Erfahrungen, ohne diese abzulehnen oder nach ihnen zu gieren.

Das klingt zunächst einmal einfach, ist in der Praxis allerdings ziemlich, ziemlich schwer.

In diesem Sinne war es ziemlich gut, dass weitere Theorie ausblieb und der Aspekt der Achtsamkeit immer wieder betont wurde.

So konnte ich mich mit noch größerer Aufmerksamkeit als sonst dem achtsamen Umgang mit auftretenden Erfahrungen widmen.

Die Reduzierung auf EINEN Aspekt führte so gerade zu einer Intensivierung DIESES EINEN Aspektes.

Yoga als körperliche Unterstützung

Zusätzlich unterstützend waren die täglichen Yoga-Sitzungen. In diesen wurden teilweise weniger anstrengende, empfindsamere Übungen (wie bspw. die Bergposition) eingestreut, teilweise waren jedoch auch ziemliche Verrenkungen und Dehnungen dabei.

An dieser Stelle betonte Wolfgang Seifert jedoch immer wieder, dass ein Leistungsgedanke fehl am Platz sei und das Achten auf die Atmung wichtiger.

Nach den Yoga-Sitzungen war meine Meditationspraxis in der Regel deutlich tiefer und ich fand leichter in die Konzentration, Weite und Achtsamkeit hinein.

Den anderen Teilnehmern ging es ähnlich. Ein Teilnehmer berichtete gar, dass er nach 30-jähriger Yogapraxis erst in diesem Seminar nun verstanden habe, was Yoga eigentlich bewirken soll.

Tägliche Arbeit im Für und Wider

Die täglichen Arbeitszeiten wirkten sich ebenso wohltuend für meine Meditation aus wie die Yogasitzungen. Ein Nachteil der Arbeit war jedoch eindeutig der Abstimmungsbedarf.

Wir arbeiteten größtenteils in Teams in einem Bereich (Küche, Wiese, Teich etc.) und konnten in diesen Zeiten so das Schweigen nicht wahren.

War das Schweigen erst einmal gebrochen, wurde sowohl auf der Arbeit als auch in den sonstigen Zeiten mehr geredet als absolut notwendig. Auch ich ertappte mich dabei, wie ich das Schweigen weniger ernst nahm als bei anderen Seminaren.

Tief in die Meditation

Das Schöne bei derartigen Retreats ist immer, dass man früher oder später tiefer in die Meditation sinkt.

An der ein oder anderen Stelle wich ich teilweise etwas von der ursprünglichen Anweisung ab und versuchte den durch die Atmung verengten Fokus mit einem etwas größeren Gewahrsein auszubalancieren.

In diesem Gewahrsein lösten sich dann nach und nach immer tiefergehend automatische Reaktionen und Reize auf und ich konnte immer detaillierter aufkommende Wertungen, Sinnesregungen und Gedanken wahrnehmen, ohne auf diese zu reagieren.

Eine Frage, die mir dazu immer wieder in den Kopf stieg:

‚Welche Farbe haben Gedanken?‘

‚Wie fühlt es sich an, ehe ein Gedanke in das Bewusstsein steigt?‘

Vielleicht ist es Einbildung, vielleicht reale Erfahrung. An einigen Stellen fühlte es sich jedoch so an, als wäre ich dem „Geschmack der Gedanken“ auf die Schliche gekommen.

Mal schauen, ob sich das in weiteren Retreats wiederholen wird.

Persönliche Einschätzung

Das Vipassana Seminar bei Wolfgang Seifert sehe ich mit gemischten Gefühlen:

In der Einfachheit die Vollkommenheit

Auf der einen Seite ist es fast schon genial, allein den Aspekt der Achtsamkeit so sehr in den Mittelpunkt zu richten und auf weitere Anweisung und Theorie zu verzichten.

Für meine ab und an verkopfte Meditation war das Gold wert. Auch die anderen Teilnehmer berichteten durchweg von positiven Erfahrungen und teilweise sehr gewinnbringenden Einsichten.

Vipassana ist mehr als die Einfachheit

Auf der anderen Seite empfinde ich das radikale Ablehnen von weiterer Theorie allerdings auch als einen potenziellen Stolperstein. Wie soll man so erkennen, wenn man sich in eine falsche Richtung verrennt?

Ist man in der Ablehnung aller Dogmen vielleicht nicht der größte Dogmatiker?

Vipassana ist für mich zudem deutlich mehr als nur umgesetzte Achtsamkeit. In der klassischen Lehrrede des Satipatthana Sutta erstreckt sich die Übung der Achtsamkeit auf vier verschiedene, weiter unterteilte Übungsbereiche.

Übungsbereiche, die einen Weg beschreiben und somit scheinbar im Widerspruch zum zentralen Seminarinhalt stehen:

Kein Weg, kein Ziel – grenzenlose Weite.

Im ersten Absatz des genannten Suttas heißt es:

dies ist der direkte Weg zur Läuterung der Wesen, zur Überwindung von Kummer und Wehklage, zum Beenden von dukkha und Betrübtheit, zur Erlangung der richtigen Methode, zur Verwirklichung von Nibbâna, nämlich die vier satipatthânas.

Auch wenn sicher auch andere Wege zum Ziel führen, sollte Vipassana meines Erachtens nach die klassischen Übungsbereiche abdecken.

Alles in allem würde ich das Seminar dennoch empfehlen. Denn gerade wir im Westen sind häufig zu rational, wissenschaftlich und theoretisch unterwegs. In der Meditation ist es sinnvoll, dazu einen Gegenpol zu schaffen.

Meine persönliche Überzeugung ist jedoch, dass es damit nicht getan ist. Wahrscheinlich liegt die Lösung in einer Mischung aus Praxis und Theorie. Oder um es in buddhistischem Jargon zu sagen:

im mittleren Weg

Wertung

(entgegen aller Weisheit in Fernost, das Urteilen zu lassen…)

P

Reduktion auf simple Achtsamkeit

P

persönliche Einzelgespräche

P

gute, sinnvolle Yoga-Einheiten

P

für Anfänger geeignet

O

Aspekte der Vipassana Lehre werden außer Acht gelassen

O

knappe Anweisungen

O

eher Zen als Vipassana

(meiner Meinung nach)

Abbildung von Meditationsspickzettel und Meditations-Habit-Tracker

Du möchtest meditieren lernen?

 

Dann hol dir unbedingt meinen kostenlosen Meditations-Spickzettel und Habit-Tracker!

Mit den darin enthaltenen Tipps kannst du schnell von den Vorteilen der Meditation profitieren.

Zusätzlich erhältst du einen Newsletter mit achtsamen Inspirationen aus meiner persönlichen Sammlung.

Deine Anmeldung war erfolgreich :) Bitte checke dein E-Mail Postfach.