Einleitung

Es ist schon bizarr – ich schreibe einen Blog zu den Themen Achtsamkeit und Meditation, meditiere täglich und doch ertappe ich mich allzu häufig, wie ich durch mein Leben hetze. Wie ich unnötige Eile und Stress erzeuge und mir selbst zu viel Druck mache.

 

Im Sog der Geschwindigkeit

Die Geschwindigkeit hat mich häufig fest im Griff. Statt die Dinge bewusst und langsam anzugehen, mache ich viele Dinge automatisch und schnell. Ein paar Beispiele:
  • unter der Dusche denke ich manchmal bereits an die Arbeit… (was habe ich heute für Termine? hatte ich auf diese E-Mail geantwortet?)
  • auf dem Weg zur Arbeit bin ich ungeduldig und kann es kaum abwarten, bis endlich der Bus kommt
  • auf der Arbeit selbst arbeite ich Aufgabe nach Aufgabe ab – und wenn ich einmal einen Moment Zeit habe, nehme ich mir diesen nicht, sondern suche gleich nach einer Ablenkung oder Beschäftigung
  • beim Händewaschen schalte ich ab und will eigentlich nur möglichst schnell damit fertig werden
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen… in allzu vielen Situationen nehme ich nicht aufmerksam wahr, führe die Tätigkeit nicht in aller Bewusstheit aus und wertschätze die Tätigkeit damit nicht. Klingt erst einmal nicht dramatisch – und ist man mal unbewusst, ist das sicher kein Weltuntergang. Überwiegen jedoch unbewusste, schnelle und hektische Handlungen, führt das zu einer Reihe von Problemen.  

Die Folgen der Eile (oder Nicht-Langsamkeit)

Denn Tage der Eile führen bei mir nicht unbedingt dazu, dass ich produktiver bin, mehr schaffe und meine gesteckten Ziele erreiche (das rede ich mir manchmal ein, wenn ich „eilig“ und „effizient“ durch die Gegend renne). Tatsächlich führen solche Tage eher dazu, dass ich mich zusätzlich stresse und noch flacher atme als sonst – was wiederum zu mehr Stress führt. Und dass Stress nicht gut ist, ist mittlerweile leider gut erforscht.

Doch auch abseits davon gibt es weitere, gravierende Auswirkungen:

Man lebt nicht richtig

Ist man in Eile, ist der Fokus nicht auf der Gegenwart – man ist gedanklich bei einem Ziel oder einer anderen Aufgabe. Radikal ausgedrückt: Auch wenn der Körper sich noch an Ort und Stelle befindet, ist er nicht mehr als eine leere Hülle – gedanklich ist man an ganz anderen Orten unterwegs.

Man ist weniger aufmerksam

Der abschweifende Fokus auf ein künftiges Ziel oder Aufgabe hat zwangsweise zur Folge, dass man weniger aufmerksam ist. Man achtet weniger auf sich, vor allem aber auch weniger auf andere. Auch wenn einem jemand etwas erzählt, schweift man dann ab und hört nicht richtig zu. Das ist nicht nur respektlos, sondern führt in meiner Erfahrung gerade im Arbeitsumfeld häufig auch dazu, dass man Dinge doppelt machen muss. Denn hat man es zu eilig und hört nicht richtig zu, verpasst man ggf. wichtige Informationen und muss noch einmal nachfragen – oder sich selbst im Nachgang noch einmal durchlesen.   

Man versperrt sich dem Augenblick

Das zuvor Beschriebene führt in letzter Konsequenz dazu, dass man einen Tunnelblick entwickelt. Man nimmt die Dinge nicht mehr richtig wahr und auch wenn sich interessante Geschehnisse abspielen, hat man hierfür keinen Nerv.

In Summe kann man festhalten: Die Lebensqualität sinkt.

Langsamkeit und Ruhe als Gegenmittel

Doch nun zur guten Nachricht: all das muss nicht sein! Bereits Gandhi wusste:

Es gibt wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.

Manch einer mag nun entsetzt aufschreien und entgegenhalten, dass die Welt sich nun mal schneller dreht und man entsprechend Schritt halten muss. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Langsamkeit, Ruhe oder auch Entschleunigen führt nicht zwangsläufig zu schlechteren Ergebnissen.

Der Kellner, der nicht langsam war

In diesem Zusammenhang muss ich immer mal wieder an meinen Aushilfsjob in einem deutschen Lokal vor vielen Jahren denken. In diesem Lokal gab es zwei Kellner, denen ich zuarbeiten sollte. Beide beherrschten ihre Arbeit und hatten ihre jeweiligen Bereiche im Griff – Ihre Arbeitsweise konnte jedoch nicht unterschiedlicher sein:

  • der eine Kellner hetzte mit hochrotem Kopf durch die Gegend und wirkte dauerhaft gestresst
  • der andere war die Ruhe selbst, machte bestimmt, aber ruhig und kontrolliert seine Arbeit

Als ich an einem Tag mehr mit dem ersten Kellner arbeiten musste, fing ich an, ein Abbild dieses Kellners zu werden: Ich rannte durch die Gegend und war gestresst: Da nahm mich der zweite Kellner beiseite und meinte freundlich:

In der Ruhe liegt die Kraft.

Damals dachte ich mir: „Wow. Danke! Diese Floskel habe ich ja noch nie gehört!!! Dafür habe ich jetzt aber keine ZEIT!!!

Dieser Moment hat mich aber seitdem nicht mehr losgelassen – und mit der Zeit konnte ich immer mehr Wahrheit darin finden. Das Interessante an der ganzen Sache: Der Kellner war nicht nur ruhig… sondern er war auch langsam. Nicht durchgehend– ist er zu Tischen gelaufen, ist er bestimmt und mit relativ zügigem Schritt zu den Tischen gelaufen. Hat er eine Bestellung ins System eingegeben, ist er jedoch nicht direkt danach wieder losgerannt, sondern hat sich seine Zeit genommen. Und so hatte er immer wieder Momente der Langsamkeit, wodurch er insgesamt eine ausgeglichene, ruhige Ausstrahlung hatte.  

Langsamkeit führt zu Achtsamkeit

Das vorherige Beispiel zeigt meines Erachtens nach gut: Langsamkeit kann durchaus sinnvoll sein.

Es geht dabei keineswegs darum, IMMER langsam zu sein – sondern es geht darum, immer mal gezielt langsam zu sein – und damit auch einer gewissen Eigendynamik vorzubeugen. Denn ist man erst einmal in Eile und gehetzt, ist man in allen Dingen erratischer und abgelenkter. Das kann ich an mir selbst gut beobachten: Bin ich erst einmal in diesem Modus unterwegs, merke ich regelrecht, wie mein Geist nach Beschäftigung lechzt: Ich checke häufiger das Handy, kann nicht ruhig sitzen und warten und rege mich auf, wenn mein Computer etwas länger braucht, um eine Webseite zu laden. An dieser Stelle ist eine bewusste „Vollbremsung“ sinnvoll: indem man kurz innehält und überlegt:

Moment mal, was mach ich hier eigentlich gerade? Muss ich das in dieser Geschwindigkeit machen?

Macht man dann im Anschluss zumindest kurz alles ein wenig langsamer, ändert man gleich die Grunddynamik der Situationen – und man wird ruhiger, entspannter und es geht einem besser. Häufig genug ist man danach wieder aufmerksamer und konzentrierter.

Ein weiterer interessanter Punkt:

Wenn du etwas langsam machst, neigst du dazu, nur eine Sache zu machen. Es ist schwer, mehrere Sachen gleichzeitig zu machen und etwas zugleich langsam zu machen – Multitasking und Langsamkeit vertragen sich nicht so gut. Wenn du dich auf eine Sache konzentrierst, kannst du dich fokussieren anstatt andauernd abgelenkt zu sein. Das führt zu zunehmender Effektivität.

Quelle: 52Wege, Das Geheimnis der Langsamkeit

Letztlich führt Langsamkeit auch automatisch zu Achtsamkeit. Statt einer Tätigkeit, Aufgabe und Gedanken hinterherzuhetzen führt die Verlangsamung zu einer veränderten Sichtweise. Man hat wieder die Chance die Gegenwart wahrzunehmen. Dadurch gibt Langsamkeit Macht und Kontrolle über Situationen zurück und bringt einen wieder zurück in die Spur.

Langsamkeit in der Praxis

Doch genug mit dem theoretischen Geplänkel. Wie baut man Langsamkeit nun konkret in seinen Alltag ein? Letztlich ist es wie zuvor beschrieben: Immer, wenn man merkt, dass man gerade hetzt, geht es darum, kurz innezuhalten. Dabei geht es nicht darum, minutenlang nichts zu tun. Tatsächlich reicht es bereits, ein paar Sekunden kurz still zu sein und in sich reinzuhorchen:

Was passiert hier eigentlich gerade?

Diese Momente mögen am Anfang noch sehr selten auftreten – mit jedem Mal zügeln wir jedoch unsere Impulse, Neigungen und Gewohnheiten – und das zahlt sich mittel- bis langfristig aus.

 

Hilfsmittel im Alltag

Meiner Erfahrung nach lassen sich für Momente der Langsamkeit auch gezielte Hilfsmittel in den Alltag einbauen. Anbei meine Hilfsmittel, die sich nach und nach herauskristallisiert haben:

Innehalten an der Tür

Immer wenn ich von meinem Wohnzimmer in die Küche laufe, halte ich kurz an der Wohnzimmertür inne. Ich behandle die Tür wie eine unsichtbare Barriere – erst wenn ich hier kurz innegehalten habe, kann ich weiterlaufen. Meist stoppe ich also kurz an der Tür, nehme zwei bis drei tiefe Atemzüge, versuche in meinen Körper hineinzufühlen und gehe dann langsam weiter in die Küche.

Bevor ich diese Übung eingeführt habe, habe ich gemerkt, dass ich häufig unbewusst und eilig in die Küche gelaufen bin – ich wollte mir schnell was zu trinken holen oder schnell anfangen essen zu machen. Durch die Übung kann ich häufig genug meine Perspektive ändern und die nachfolgenden Tätigkeiten gelassener ausführen.

Tee trinken

Tee ist für mich ein wunderbares Genussmittel. Eine Freundin schenkte mir einmal ein Teeset und seitdem habe ich richtig Freude daran gefunden, bewusst Tee zu trinken. Ich zelebriere den Moment, in dem ich die Kanne neige, die Flüssigkeit in einem Rinnsal in die Tasse fließt und diese nach und nach ausfüllt. Wenn ich anschließend die Tasse in aller Langsamkeit an die Lippen setze, die Wärme spüre und langsam einen kleinen Schluck nehme, vergesse ich von ganz allein die Zeit.

(selbst wenn der gesamte Vorgang vielleicht nur eine Minute dauert)

Spaziergang

Ebenso wunderbar sind Spaziergänge. Ich weiß – scheinbar kein Wundermittel und auch nicht sonderlich kreativ – dennoch: ein Spaziergang wirkt sich meiner Erfahrung nach sehr schnell positiv aus. Der Spaziergang muss nicht einmal sonderlich lang sein – zehn, fünfzehn Minuten bewirken häufig schon deutliche Veränderungen. Wenn man seinen Spaziergang zudem langsam und achtsam gestaltet, sind die Auswirkungen noch bedeutsamer. Dazu versucht man jeden Schritt, den man macht, aktiv wahrzunehmen. Häufig läuft man dadurch automatisch bereits langsamer. Aktiv auf jeden Schritt zu achten ist im Übrigen eine klassische Meditationsmethode im Buddhismus (=Gehmeditation). Denn nimmt man jeden Schritt aktiv wahr, schätzt man diesen auch mehr wert.

Das ist gerade vor dem Hintergrund, dass wir in der Regel viel laufen und wenig auf unsere Schritte achten, eine gute Übung.

Finger auf der Tastatur

Gerade auf der Arbeit bin ich häufig gedankenverloren und schnell unterwegs. Ein Hilfsmittel, um dem Entgegenzuwirken, ist die Tastatur. Wenn ich eine E-Mail fertig geschrieben habe, versuche ich noch einmal kurz innezuhalten, aktiv in meine Finger „hineinzuhorchen“ und diese noch einen Moment auf der Tastatur zu lassen. Dieser Moment führt häufig dazu, dass ich meine Finger wieder einmal richtig spüre, sich mein Atem wieder bemerkbar macht und ich nach und nach wieder bewusster werde.

Jede Handlung

Unabhängig von dem, was man gerade tut – es lässt sich fast alles langsamer gestalten, als wir es tun. Manchmal überkommt mich das Bedürfnis nach Langsamkeit in den unterschiedlichsten Situationen. Ob ich mir dann langsam die Hände wasche, fast schon in Zeitlupe durch die Stadt laufe oder mich einfach nur langsam auf einen Stuhl setze. Die Möglichkeiten sind endlos.

Klar – manchmal komme ich mir bei dem Ganzen irgendwie komisch vor – dann stelle ich mir jedoch vor, dass japanische Zen- oder Teemeister, teilweise genauso langsam, aber elegant Dinge erledigen und ich fühle mich wieder deutlich wohler.

Meditation

Zu guter Letzt darf natürlich auch die Meditation in dieser Abhandlung nicht fehlen. Die Vorteile von Meditation sind zahlreich und mittlerweile auch immer besser wissenschaftlich erforscht (siehe hierzu auch: Wirkung von Meditation). Auch in Bezug auf Langsamkeit ist Meditation hilfreich. Bei der Meditation geht es darum, bewusst wahrzunehmen, was geschieht: Die eigenen Gedanken, Emotionen und das Verhalten. Geht man in dieser Weise an diese Dinge heran, befeuert man sie nicht, sondern lässt sie sich natürlich entwickeln – was automatisch zu einer Verlangsamung all dieser Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen sorgt. Nach der Meditation bin ich daher häufig nicht nur entspannter und ruhiger, sondern auch langsamer. Ich habe dann tatsächlich den Drang, mich langsamer zu verhalten: Ich möchte bewusst langsamer gehen, mehr wahrnehmen und meinen Gedanken nicht hinterherjagen.

Doch Meditation ist nicht nur eine kurzfristige Hilfe. Meditation entwickelt auch die grundsätzliche Fähigkeit, das eigene Verhalten zu reflektieren – und so auch die Momente ausfindig zu machen, in denen wir zu schnell unterwegs sind.

Langsamkeit – nicht immer einfach

Nicht immer intuitiv

Wie so vieles im Leben ist das, was uns tatsächlich weiterbringen kann, kontraintuitiv. So auch die Langsamkeit. Ist man gerade gestresst und unter Zeitdruck mag Langsamkeit genau der falsche Ansatz sein. Man möchte eher losrennen, machen und alles auf Teufel komm raus erledigen. Tatsächlich kann Langsamkeit gerade aber in diesen Momenten viel bewirken. Man gibt dem Körper unbewusst das Signal:

Hey, ich bin entspannt, es ist alles gut, wir müssen nicht hetzen.

Häufig führt das nicht nur zu weniger Stress, sondern sogar zu mehr Leistung. Das Paradoxe an der ganzen Sache: Wir denken, wir haben keine Zeit, um uns darum zu kümmern. Tatsächlich schafft uns das Kümmern um diese Sache, jedoch die Zeit, von der wir dachten, dass wir sie nicht hätten. Ein japanisches Sprichwort bringt es schön auf den Punkt:

Wenn du es eilig hast, geh langsam. Wenn du es noch eiliger hast, mach einen Umweg.

Natürlich ist es nicht möglich, in jeder Situation in dieser Art zu verfahren. Doch jede Situation, in der wir uns daran erinnern und danach handeln, ist bereits ein Erfolg – und darüber sollten wir glücklich sein.  

Langsamkeit führt zu Balance

Was Langsamkeit letztlich bewirken soll, ist Balance. Sind wir zu schnell unterwegs, geht es darum, gezielt langsamer zu werden. Sind wir zu langsam unterwegs, gilt es etwas schneller zu werden. Manche mögen vielleicht behaupten, dass sie die Geschwindigkeit und den Stress benötigen. Dass sie nur in diesen Zuständen zu Höchstleistungen kommen. Vor diesem Hintergrund ist erneut zu betonen: Es geht nicht darum, IMMER langsam zu sein. Es geht vielmehr darum, zwischendurch immer mal langsam zu sein und vor allem auch dann langsam zu sein, wenn man es sich erlauben kann. Nur wenn man in dieser Art und Weise vorgeht und eine Balance in seine Geschwindigkeit und sein Leben reinbringt, lebt man nicht auf Kosten seiner Zukunft.

Das Yoga Vidya Portal führt dazu passend aus:

wer nicht freiwillig in die Langsamkeit geht, der wird irgendwann vielleicht dazu gezwungen und lebt dann seine langsame Seite. […]  Burnout zwingt den Menschen zur Langsamkeit. Jemand, der im echten Burnout ist, der kann nichts mehr schnell machen, der ist froh, wenn er langsam aus dem Bett rauskommt, der ist froh, wenn er überhaupt irgendetwas zustande kriegt.

Quelle: Yoga Vidya, Langsamkeit

Lasst uns in diesem Sinne mehr Ausgeglichenheit und Langsamkeit in unser Leben reinbringen.

Abbildung von Meditationsspickzettel und Meditations-Habit-Tracker

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